Angeklagten Ralf W. (l) und Petra W.

Prozessauftakt im "Fall Anna"

Ehemann will nicht vor seiner Frau aussagen

Stand: 24.01.2011, 16:56 Uhr

Beim Prozessauftakt um das in der Badewanne gestorbene Pflegekind Anna haben Prozessanträge am Montag (24.01.2011) das Verfahren vor dem Landgericht Bonn verzögert. Der angeklagte Ehemann kündigte eine umfassende Aussage an.

Von Lars Hering

Anwalt Sebastian Holbeck schilderte der Presse in den langen Verhandlungspausen ein glückliches Paar: 300 Liebesbriefe sollen sie einander in der Untersuchungshaft geschrieben haben. Sein Mandant trage ein Armbändchen mit dem Namen seiner Frau. Doch Ralf und Petra W. machten am Montag (24.01.2011) in Saal S 0.11 einen ganz anderen Eindruck. Er wich den Blicken seiner Ehefrau aus. Es schien, als ob er Angst vor ihr hat. Darauf deutet auch ein ungewöhnlicher Prozessantrag hin: Der 51-Jährige beantragte, dass seine Frau (52) während seiner Aussage den Saal verlassen sollte.

"Mein Mandant will die Hosen runter lassen. Aber es besteht die Gefahr, dass er nicht die Wahrheit sagt, wenn seine Frau im Saal ist", begründete Anwalt Holbeck diesen außergewöhnlichen Wunsch. Der Anwalt seiner Frau gab keine Erklärung zur Schuld seiner Mandantin ab. Er stellte jedoch einen Antrag auf Befangenheit gegenüber dem Gericht.

Empörte Zuschauer bei der Anklageverlesung

Dieser und mehrere Anträge auf mehr Akteneinsicht hatten die Hauptverhandlung stundenlang verzögert. Bei der Anklageverlesung war immer wieder empörtes Gemurmel zu hören. Manche Zuschauer stöhnten angesichts der geschilderten Vorwürfe: "Oh, Gott!" Ralf (51) und Petra W. (52) aus Bad Honnef sollen, so die Anklage, ihr Pflegekind Anna monatelang schwer misshandelt haben.

So sollen sie das Kind mehrfach mit spitzen Gegenständen gestochen haben. Weil Anna nicht wie gewünscht aß und sich wusch, soll sie mehrfach in der Badewanne mit dem Kopf unter Wasser gedrückt worden sein. Meist soll dies, so die Anklage, Petra W. getan haben. Ralf W. habe tatenlos zugesehen. Am 22. Juli 2010 war Anna in der Badewanne der Pflegeltern gestorben - nachdem sie erneut mittels Untertauchen "erzogen" werden sollte.

Ralf W. zieht den Antrag auf Ausschluss seiner Frau zurück

Petra W. bestreitet die Misshandlungen. Ihr Mann hatte jedoch vor der Polizei gestanden und dabei seine Frau schwer belastet. Ob er das auch im Prozess tun wird, bleibt abzuwarten. Denn schließlich war der 51-Jährige doch damit einverstanden, dass seine Frau im Saal blieb. Der Vorsitzende Richter der 4. großen Strafkammer, Josef Janssen, hatte ihn dazu ermutigt: "Wenn Sie reinen Tisch machen wollen, ist es besser, das uneingeschränkt und in Anwesenheit Ihrer Ehefrau zu tun." Petra W. hatte zuvor angekündigt, nicht auszusagen.

Nach dem Einlenken machte Ralf W. einen äußerst nervösen Eindruck. Den Blickkontakt zu seiner Frau vermied er. Als sich sein Anwalt einmal zurücklehnte und den Blick so für die Angeklagte freigab, sahen beide einander kurz an. Der 51-Jährige schien geradezu zurückzuschrecken. Sofort blickte er wieder nach vorne, wirkte verkrampft. Das änderte sich erst, als sein wieder Anwalt gerade auf dem Stuhl saß.

Hätte Ralf W. mutiger sein müssen?

Ralf W. wird erst am Donnerstag (27.01.2011) aussagen. Doch Anwalt Holbeck gab in einer der vielen Verhandlungspausen schon Einblick in das, was sich in der Sozialwohnung in Bad Honnef ereignet haben könnte. "Mein Mandant wurde von Zeugen als 'Butler mit Ehering' und als 'Pantoffelheld' bezeichnet. Er soll seiner Frau gegenüber unterwürfig gewesen sein", so Holbeck.

Ralf W. habe Anna "geliebt". Das Kind sei gestorben, weil sein Mandant "alleine gelassen und überfordert" gewesen sei. Probleme mit der Neunjährigen hätten eine "Eigendynamik" angenommen. Ralf W. habe zwar die "Erziehungsmethoden hinterfragt". Doch seine Frau habe ihn mit den Worten abgekanzelt: "Das ist alles mit dem Jugendamt so abgesprochen." Sein Mandant sei von seiner Frau schlicht hinters Licht geführt worden.

Paar hofft auf USA-Reise in neun Jahren

Trotz Annas Tod wolle das Ehepaar, so Anwalt Holbeck, nach der Haft wieder zusammen leben. "Sie wollten eigentlich eine Reise in die USA machen." Die wolle sein Mandant nachholen, wenn er mit 60 Jahren aus dem Gefängnis frei kommt", so Holbeck.

Ob das der Fall sein wird, muss das Gericht entscheiden. Bis zu 15 Jahren Gefängnis drohen dem Paar. Das Urteil ist für Ende Februar geplant.

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