Interview mit Politikprofessor Gerd Langguth
"Rücktritt mit vorbereitetem Comeback"
Stand: 01.03.2011, 16:08 Uhr
Zu Guttenberg wird sich nach seinem Rücktritt am Dienstag (01.03.2010) zunächst aus der Politik zurückziehen, meint der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth. Aber spätestens zur nächsten Bundestagswahl werde er wieder in der Bundespolitik mitmischen.
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Kommentieren"Die Medien werden ihren Beitrag dazu leisten, dass zu Guttenberg nach dem Rücktritt nicht in Vergessenheit gerät", sagt Gerd Langguth. Der Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn sieht die politische Karriere von zu Guttenberg noch lange nicht beendet. Langguth war selbst von 1976 bis 1980 für die CDU im Bundestag und beschäftigt sich auch mit den Werdegängen von Politikern. Er schrieb unter anderem Biografien über Angela Merkel und Horst Köhler.
WDR.de: Hat Sie der heutige Rücktritt von zu Guttenberg überrascht?
Gerd Langguth: Etwas schon, denn wenn jemand einen solchen Rückschlag wie die Plagiatsaffäre übersteht könnte, dann wäre es zu Guttenberg gewesen. Er wurde immerhin von der Kanzlerin und dem CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer getragen.
WDR.de: Was hat zu Guttenberg schließlich zum Rücktritt bewogen, nachdem er sich in den vergangenen Wochen so beharrlich an das Amt des Verteidigungsministers geklammert hat?
Langguth: Ich bin überzeugt, dass er zum Schluss einfach erschöpft war. Nachdem er sich eine Woche lang verteidigen musste und sich auch im Bundestag peinlichen Fragen stellen musste, war er nun mit seiner Kraft am Ende.
WDR.de: Hätte zu Guttenberg nicht schon früher zurücktreten müssen?
Langguth: Zu Guttenberg ist ein anderer, ein neuer Politiker-Typ. Die Menschen haben ein Verlangen nach einem anderem Typus wie zu Guttenberg. Er wirkte auf die Menschen unabhängig und damit glaubwürdiger als die meisten Politiker.
WDR.de: Wie geht es denn weiter mit der politischen Karriere von zu Guttenberg?
Langguth: Zu Guttenberg wird jetzt einen Büßergang einlegen und danach kommt irgendwann ein Hochamt. Einen Büßergang deshalb, weil er sich zunächst sichtbar zurückziehen wird. Er wird aber weiterhin in der Politik bleiben, mit oder ohne Bundestagsmandat. Und zu Guttenberg wird vor allem in seiner Heimatpartei CSU weiterhin auf riesige Sympathien stoßen. Spätestens bei der nächsten Bundestagswahl ist er wieder da, um auch als Minister antreten zu können. Als 1993 Innenminister Rudolf Seiters wegen der Vorgänge in Bad Kleinen zurück getreten ist, hatte ihm das auch ungeheure Sympathie in der Bevölkerung eingebracht. So wird es auch zu Guttenberg gehen.
WDR.de: Zu Guttenberg sagte, er könne es nicht mehr verantworten, dass die Plagiatsaffäre auf dem Rücken der Bundeswehrsoldaten ausgetragen werde. Auch seine Familie sei in Mitleidenschaft gezogen. Er stellt sich selbst als Opfer der Medien dar. Zu Recht?
Langguth: Er hat Fehler begangen, aber die Affäre wird in seiner eigenen Familie sicherlich ein großes Problem sein. Natürlich ist er derjenige, der die Fehler verursacht hat und dafür auch gerade stehen muss. Aber es stimmt, dass die Affäre auch auf den Rücken der Bundeswehrsoldaten und seiner Familie ausgetragen wird.
WDR.de: Welche Rolle haben die Proteste der Wissenschaftler bei dem Rücktritt gespielt?
Langguth: Ich denke, die Proteste haben beim Rücktritt weniger eine Rolle gespielt. Das Hauptmotiv von zu Guttenberg war die Erschöpfung.
WDR.de: Wie wichtig war es für Forschung und Wissenschaft, dass zu Guttenberg nicht mit einem blauen Augen davon kommt?
Langguth: Es wird jetzt klar sein, dass jeder, der Plagiate macht, sich nicht auf ein Mitglied der Bundesregierung oder sogar auf die Bundeskanzlerin berufen kann. Insofern war sein Schritt richtig.
WDR.de: Was bedeutet der Rücktritt für die Bundeskanzlerin?
Langguth: Zu Guttenberg hat sich mit seinem Rücktritt letztlich gegen die Kanzlerin gestellt, die ihn gerne behalten hätte. Für die Kanzlerin wäre aber das Thema Guttenberg in den kommenden Wochen weiterhin rauf und runter gespielt worden. Zu glauben, dass durch die Fragestunde im Bundestag am vorigen Mittwoch das Thema beendet sei, wäre naiv. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Bundeskanzlerin über den Rücktritt froh war.
WDR.de: Die Union hatte immer befürchtet, dass sie Wählerstimmen bei den Landtagswahlen verliert, wenn sie zu Guttenberg fallen lässt. Was bedeutet der Rücktritt für die kommenden Landtagswahlen?
Langguth: Das hängt sehr von zu Guttenberg ab. Stellt er sich mit voller Kraft für die Landtagswahlen zur Verfügung, wird er volle Säle bekommen. Wenn er sich aber schmollend zurückzieht, kann es sein, dass sich einige von der Politik abwenden und nicht zur Wahl gehen.
WDR.de: Wer könnte Nachfolger von zu Guttenberg im Verteidigungsministerium werden?
Langguth: Die Frage ist noch nicht geklärt und auch für Seehofer sehr schwer. Denn die Personaldecke in der CSU ist sehr dünn, aber die CSU wird auch darauf beharren, den Verteidigungsminister zu stellen. Theoretisch gibt es drei Möglichkeiten: Peter Ramsauer, der derzeit aber das Bundesverkehrsministerium leitet. Er ist ein "Mannstyp", zu dem der Posten auch passen würde. Aber er hat auch schon abgewunken, wie ich höre. Zweiter Kandidat wäre der CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich, ein kluger, politischer Kopf. Oder der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Christian Schmidt, der die Fachkompetenz mitbringt. Das sind drei verschiedene Typen, aber wer das Rennen macht, lässt sich derzeit noch nicht sagen.
Das Gespräch führte Anke Fricke.
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