Strahlende Ölquellen - Teil 2
Ursachen und Ausmaß der radioaktiven Belastung
Stand: 07.12.2009, 02:00 Uhr
Wasser ist gewissermaßen das "Transportmittel" für die Radionuklide. Zur Steigerung der Ausbeute wird oft Wasser in die Lagerstätte gepresst. Auch dieses Wasser ist, wenn es wieder an die Oberfläche kommt, radioaktiv kontaminiert.
Natürliche radioaktive Stoffe wie Uran und Thorium befinden sich fast Überall im Erdboden, vor allem in tieferen Gesteinsschichten. Bei der Föderung von Erdgas und Erdöl werden die wasserlöslichen Zerfallsprodukte von Thorium und Uran, insbesondere Radium, unbeabsichtigt mit an die Erdoberfläche gespült. Eine wichtige Rolle spielt dabei Wasser. Denn Wasser ist gewissermaßen das "Transportmittel" für die Radionuklide. Bei der Öl- und Gasförderung werden immer auch gleichzeitig große Mengen so genanntes Lagerstättenwasser aus dem Boden gepumpt. Im Schnitt pro Barrel Öl rund 10 Barrel Wasser!
Radioaktiv kontaminiertes Wasser
Je älter das Feld und je tiefer die Lagerstätte, umso mehr Wasser ist im Öl vielfach bis zu einem Verhältnis von 50:1. Hinzu kommt, dass bei vielen Öl- und Gasfeldern zur Steigerung der Ausbeute Wasser bzw. Wasserdampf in die Lagerstätte hineingepresst wird. Auch dieses Wasser ist, wenn es wieder an die Oberfläche kommt, radioaktiv kontaminiert. Auf dem Weg an die Erdoberfläche verbindet sich ein Teil des Radiums durch den Druck- und Temperaturunterschied mit Barium zu Bariumsulfat (Barit). In diesen harten Ablagerungen in den Rohren und Apparaturen reichern sich die Radionuklide am stärksten an, daneben gibt es kontaminierte Schlämme und besagtes Wasser.
Hohe Belastung auch in Deutschland
Der Grad der Kontaminierung ist je nach Beschaffenheit der Lagerstätte sehr unterschiedlich. Es gibt Produktionsstätten, bei denen so gut wie keine radioaktiven Rückstände anfallen. Andere sind dafür sehr stark kontaminiert. Auch die Mengen dieser Abfälle sind sehr unterschiedlich. Sie hängen unter anderem vom Alter der Produktionsstätte, dem Wassergehalt und der Tiefe der Bohrung ab. Die Internationale Atomenergie-Agentur spricht in ihrem Bericht von bis zu 15.000 Bq/g. Zum Vergleich: die mittlere Bodenbelastung liegt bei 0,04 Bq/g.
In Deutschland beträgt die durchschnittliche Belastung der NORM-Abfälle (NORM = Naturally Occurring Radioactive Material) aus der Öl- und Gasindustrie nach Angaben eines Exxon-Experten 88 Bq/g. Zum Vergleich: die Altlasten des Uranbergbaus in Wismut, die für über 10 Milliarden Euro aufwändig saniert werden, weisen eine spezifische Aktivität von maximal 18 Bq/g auf.
Tausende Kilometer verstrahlter Förderrohre
Was die Mengen angeht, so lässt sich auch hier das Ausmaß der radioaktiven Belastung durch die Öl- und Gasindustrie nur schwer abschätzen. Denn bis heute werden diese Stoffe nicht kontinuierlich und von unabhängigen Experten analysiert und erfasst. Das US-Umweltministerium schätzt das Aufkommen an kontaminierten Schlämmen und harten Ablagerungen (so genannte "Scales") allein in den USA auf 200.000 bis 300.000 Tonnen pro Jahr. In Deutschland sind es nach Angaben der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) jährlich 1.000 bis 2.000 Tonnen.
Tendenziell wird das Volumen an radioaktiven Rückständen aus der Öl- und Gasindustrie in den kommenden Jahren eher steigen. Denn je älter ein Öl-Feld, desto größer die Menge an NORM-Stoffen. Außerdem werden in den nächsten Jahren viele Quellen versiegen und die Förderanlagen abgebaut. Dabei werden Tausende Kilometer alter und verstrahlter Förderrohre mit Tausenden Tonnen radioaktiver "Scales" darin zu entsorgen sein.