Michael (l.) und Sebastian Wirtz

Skepsis nach Brief

Keine Entschuldigung von Grünenthal-Chef

Stand: 11.11.2007, 15:29 Uhr

Der Chef der Contergan-Herstellerfirma, Sebastian Wirtz, hat brieflich angekündigt, sich mit einem Geschädigten treffen zu wollen. Eine Entschuldigung wies er jedoch zurück. Die Geschädigten-Verbände erwarten mehr.

Dass Grünenthal-Chef Sebastian Wirtz einen Brief an den Contergan-geschädigten Künstler und Fotografen Christian Knabe geschrieben und ein Treffen in Aussicht gestellt hat, ist bemerkenswert. Und zwar weil Wirtz noch am 26.09.07 in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" bekannt hatte, bislang noch nie einen Contergan-Geschädigten persönlich getroffen zu haben. Daraufhin hatte Christian Knabe ihm Mitte Oktober einen offenen Brief geschrieben, in dem er Verständnis für die Zurückhaltung von Sebastian Wirtz äußerte und mit den Worten schloss: "Ich denke, dass wir es wagen sollten, gemeinsam Kaffee zu trinken und zu plaudern." In der "Hart aber fair"-Sendung am Mittwoch (07.11.2007) sagte Knabe, darauf gab es "keine Antwort, keine Reaktion, nichts. Leider."

Wirtz schreibt an Contergan-Geschädigten

In dem am Samstag (10.11.07) bekannt gewordenen Schreiben von Wirtz an Knabe bietet der Enkel des Firmengründers ein Treffen in privatem Rahmen, ohne Medien, an."Ich freue mich riesig über diese prima Geste", sagte Knabe der Nachrichtenagentur dpa.

Der Chef der Contergan-Herstellerfirma Grünenthal aus Stolberg bei Aachen hatte sich am Samstag (10.11.07) in einem Interview mit den "Aachener Nachrichten" und der "Aachener Zeitung" zu Wort gemeldet. Er sagte: "Ich bin betroffen und habe einen Riesenrespekt vor diesen Menschen. Es tut mir furchtbar leid, was ihnen passiert ist." Eine Entschuldigung wies er aber dezidiert zurück, "denn in diesem Wort steckt das Wort Schuld", so der 37-Jährige.

Vorsitzende des Geschädigten-Verbands ist skeptisch

Laut Knabe ging aus dem Schreiben von Wirtz hervor, dass dieser auch Kontakt zum Bundesverband Contergan-Geschädigter aufnehmen wolle. Die Verbands-Vorsitzende Margit Hudelmaier hat nach eigenen Angaben bis Samstag kein Schreiben von Wirtz erhalten und reagierte skeptisch: "Ich teile die Euphorie nicht, wenn Herr Wirtz glaubt, er schreibe einen Brief und das war's." Kritisch sei, dass Wirtz erst jetzt im Zuge des gestiegenen öffentlichen Interesses nach der Ausstrahlung des ARD-Zweiteilers "Contergan" (07./08.11.07) auf die Opfer zugehe. "Aber wir warten erstmal ab und sind prinzipiell gesprächsbereit", sagte sie. Ein Treffen habe für ihren Verband aber nur Sinn, wenn Wirtz den Geschädigten ein Angebot unterbreite, das über seine bisherigen Statements hinausgehe. Ein Händedruck reiche dabei nicht aus, er müsse auch auf die finanziellen Forderungen des Verbandes eingehen.

Auch der "Bund Contergangeschädigter und Grünenthalopfer", eine Abspaltung vom Bundesverband, fordert weitere finanzielle Entschädigungen. Seit dem 1. Oktober, dem 50. Jahrestag der Markteinführung von Contergan, ruft der Verband zum Boykott von Produkten auf, die zum Grünenthal-Konzern gehören. Dazu gehört auch das Parfüm "4711".

Grünenthal droht eine Kampagne aus Großbritannien

Unterdessen wurde am Samstag (10.11.07) bekannt, dass eine britische Opfergruppe um den Unternehmer Nicholas Dobrik einen weltweiten Entschädigungsfonds "in Milliardenhöhe" erzwingen will. Dies meldete die Zeitschrift "Der Spiegel" in ihrer Online-Ausgabe. Der Fonds solle den noch schätzungsweise 4.000 Menschen zugutekommen, die in den fünfziger und sechziger Jahren mit Behinderungen zur Welt kamen, weil ihre Mütter während der Schwangerschaft das Beruhigungsmittel Contergan eingenommen hatten.

Laut "Spiegel" ist es Dobrik vor zwei Jahren gelungen, mit einer Kampagne den Konzern Diageo zu höheren Zahlungen zu zwingen. Dieser ist die Nachfolgegesellschaft des britischen Contergan-Lizenznehmers. Die Opfer dort bekommen demnach nun durchschnittlich etwa 2.100 Euro pro Monat. Dagegen erhalten die Geschädigten in Deutschland nur 121 bis 545 Euro, je nach Schwere ihrer Behinderung. Diese Rente wird heute ausschließlich aus Steuermitteln finanziert. Die von Grünenthal gezahlte Entschädigungssumme ist aufgebraucht.