Zeitungen an einem Büdchen in Oberhausen

NRW-Zeitungen kommentieren Clements Parteiaustritt

Presseschau: Nie geliebt, immer nur geduldet

Stand: 25.11.2008, 21:01 Uhr

Sturheit, Eitelkeit, Trotz - den Austritt von Wolfgang Clement aus der SPD am Dienstag (25.11.08) bewerten Zeitungen in NRW weitgehend als dessen persönliches Problem. WDR.de dokumentiert die Kommentare.

Unter der Überschrift "Eine Ich-AG verlässt die SPD" schreibt die Rheinische Post in ihrer Ausgabe vom Mittwoch (26.11.2008): "Clements Rückzug offenbart die Verbitterung eines Ausgemusterten. Er leidet an dieser Missachtung. Die SPD hat ihn nicht mit einer Rüge drangsaliert, wie er sagt." Clement fehle, was Johannes Rau ausgezeichnet habe: "charakterstarke Führungsfähigkeit".

Der Verdacht liege nahe, dass Clements Entschluss lange feststand und er "seinen Gegnern lediglich bis in die letzte Instanz die Zähne zeigen wollte, um schließlich wie immer Recht zu behalten", mutmaßt die Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung.

Das Mindener Tagblatt geht davon aus, dass Clements Austritt "überwiegend wohl eher für Erleichterung denn für Fassungslosigkeit sorgen dürfte". Dafür sei seine "nassforsche Art" verantwortlich, die auch bei Genossen auf Widerstand gestoßen sei, "die inhaltlich mit dem Kritisierten durchaus auf einer Wellenlänge lagen".

"Nur Fußnote in der Geschichte"

In der Neuen Westfälischen heißt es über Clement, er sei "nie geliebt, immer nur geduldet" gewesen. Er habe mit seiner zupackenden Art oft Aufbruchstimmung verbreitet, aber viele Genossen vor den Kopf gestoßen. "Die Zeit Clements als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens wird nur als Fußnote in die Geschichte eingehen, Spuren hat er nicht hinterlassen. Auch der polternde Abgang spricht nicht für ihn."

"Die Diva geht", kommentiert die Kölnische Rundschau und fragt: "Warum erst jetzt?" Über Monate habe der frühere Bundeswirtschaftsminister seiner Partei zugesetzt. "Das war sein gutes Recht. Denn wer mit der politischen Grundausrichtung nicht einverstanden ist, muss sich einmischen und für eine Mehrheit für seinen Gegenentwurf kämpfen." Doch er habe sich dabei von "größtmöglicher Sturheit und Eitelkeit" lenken lassen, als er zur Nichtwahl von Andrea Ypsilanti aufrief. "Dafür hat er tatsächlich eine Rüge verdient."

"Clement stößt jetzt alle vor den Kopf, die in den vergangenen zehn Monaten versucht haben, Brücken zu bauen", schreibt der Kölner Stadt-Anzeiger. "Clements Abschied wird die SPD sicher nicht zerreißen, aber er ist ein Denkzettel: wenn die Partei konservativen Genossen wie ihm keine Heimat mehr bieten kann, dürfte es schwer werden, in der Mitte der Gesellschaft zu punkten, wo die Wahlen gewonnen werden", kommentiert der Express.

Schaden für die SPD "eher übersichtlich"

Der ehemalige Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) gibt am 07.08.2008 in Bonn eine Erklärung ab

Ex-SPD-Mitglied Wolfgang Clement

Der Abgang passe zu Clement, findet die Westfalenpost. Er sei "stets nicht nur Parteimensch, sondern auch Einzelkämpfer und anerkannter Sturkopf" gewesen. "Was manche als Vorzug empfanden, weil er sich keiner Mehrheits- oder Augenblicksmeinung beugen mochte, die er für falsch hielt. Anderen ging er damit mehr als einmal auf den Nerv, auch zu seiner Zeit als NRW-Ministerpräsident." Der Schaden für die SPD bleibe "eher übersichtlich."

Überzeugend, gar souverän sei Clements Verhalten nicht, schreibt der Bonner General-Anzeiger: "Es zeugt eher von einem genervten, enttäuschten, vielleicht auch verbitterten Politiker, der seine politische Heimat verloren hat."

"Wirklich traurig ist am Ende dieser tragikomischen Inszenierung im Zirkus Clementi niemand", resümiert die Aachener Zeitung. "Diejenigen, die sich für ihn eingesetzt haben (Müntefering, Steinmeier, Gabriel und andere) stehen wie die Blöden da."

"Er hat der SPD geschadet, sich von der Partei entfremdet. Er, der Kritiker, konnte mit Kritik an seiner Person nicht umgehen", komnentieren die Aachener Nachrichten.

Die WAZ aus Essen analysiert die Folgen für die SPD gleich in zwei Kommentaren. Einer der beiden Kommentatoren schreibt, Clement sei nicht gerügt worden, weil er eine andere Meinung als die Parteimehrheit habe, sondern weil er mit seinen Ausfällen gegen Ypsilanti gegen zwei sozialdemokratische Ur-Tugenden verstoßen habe: "Solidarität und Disziplin". "Die SPD und Wolfgang Clement gehen künftig getrennte Wege. Beide werden es verkraften." Der andere Kommentator bedauert hingegen: "Von nun an hat die SPD einen wirtschaftsfreundlichen, pragmatischen, liberalen Freigeist weniger." Ohne einen wie Clement sei die SPD ärmer.