Risse an Hauswand (Symbolbild)

Land prüft Änderung am Bergrecht

Werden Bergbau-Opfer angemessen entschädigt?

Stand: 22.02.2013, 18:15 Uhr

Der Steinkohleförderer RAG ist unter Druck geraten. Der "Spiegel" berichtet, Opfer von Bergbauschäden würden nicht angemessen entschädigt. Die CDU im Landtag verlangt nun Änderungen im Bergrecht. Die Landesregierung sieht dafür eigentlich keinen Grund. Will aber dennoch handeln.

Von Rainer Kellers

Handbreite Risse in den Wänden schmucker Einfamilienhäuser, absackende Fundamente, unbewohnbare Wohnungen - Bergbauschäden gehören zum Ruhrgebiet wie die Kohlezechen selbst. Für Bergschäden aufkommen muss im Normalfall die RAG Aktiengesellschaft. Und das tut sie in vielen Fällen auch. Nach Angaben des Unternehmens werden jedes Jahr 40.000 Schadensfälle bearbeitet und Entschädigungen gezahlt. In fast allen Fällen könne man sich schnell einigen, sagt die RAG. Josef Hovenjürgen jedoch bezweifelt, dass es immer so harmonisch zugeht.

Ungleiches Kräfteverhältnis zwischen Geschädigten und RAG

"Wenn Sie das Angebot der RAG annehmen, läuft alles gut", sagt der CDU-Landtagsabgeordnete aus Recklinghausen, der sich schon seit Jahren mit den Folgen des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet beschäftigt. Doch wehe, die Hausbesitzer seien nicht zufrieden mit dem, was der Konzern anbiete. "Dann werden Sie vor Gericht erdrückt", sagt Hovenjürgen. Der "Spiegel" berichtet in dieser Woche von gleich mehreren solcher Fälle. Die Rede ist von einer bewussten Verschleppung der Prozesse, sogar von manipulierten Erdreich-Karten, so genannten Risswerken. Diese sind deshalb so wichtig, weil darauf Kohleschächte und andere Besonderheiten im Erdreich verzeichnet sind.

Befangene Bergbau-Gutachter?

Lokalzeit aus Dortmund 22.02.2013 03:16 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR

Ob ein Schaden als Bergbauschaden eingestuft wird und damit Schadenersatz fällig ist, hängt von diesen Karten ab. Die RAG weist energisch zurück, Karten gefälscht zu haben. "Eine Manipulation von Urkunden wäre Urkundenfälschung", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Auch der Verband der bergbaugeschädigten Haus- und Grundeigentümer bezweifelt, dass es solche Fälschungen gebe. CDU-Mann Hovenjürgen hält sich bei dieser Frage mit Beschuldigungen zurück. Ihm geht es um etwas anderes, nämlich das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Geschädigten und RAG.

"David gegen Goliath, nur ohne Schleuder"

Bergbauschäden, Risse an Hausfassaden

CDU: Hausbesitzer haben wenig Chancen

"Das ist wie David gegen Goliath, nur ohne Steinschleuder", formuliert der Recklinghäuser schlagzeilenträchtig. Die Geschädigten hätten keine Chance, ihre Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. Denn erstens fehle meist das Geld für Prozesse - keine Rechtsschutzversicherung springt bei Streitigkeiten um Bergbauschäden ein. Und zweitens akzeptiere die zuständige Aufsichtsbehörde, die Bezirksregierungen, keine unabhängigen Gutachten, sondern nur die offiziellen Risswerk-Karten. Diese wiederum werden von spezialisierten Vermessungsingenieuren erstellt, den Markscheidern. Und die bekommen in NRW ihr Geld - von der RAG. Das sei ein Interessenskonflikt, schimpft Hovenjürgen. "Das ist so, als ob bei einem Unfall der Verursacher das Schadensgutachten erstellt."

Der Eindruck eines Geschmäckles

Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium sieht das anders. Im Bundesbergbaugesetz sei klar geregelt, dass Markscheider keinerlei Weisung unterlägen, sagte am Freitag (22.02.2013) Staatssekretär Günther Horzetsky im Unterausschuss Bergbausicherheit. So ganz geheuer ist dem Ministerium und auch der SPD-Fraktion im Landtag das ganze aber nicht. Der Ausschussvorsitzende Frank Sundermann (SPD) legt im Gespräch mit WDR.de rhetorisch eine ziemliche Pirouette hin. Die Markscheider arbeiteten schon jetzt unabhängig, versichert er. In der öffentlichen Wahrnehmung könne aber durchaus der Eindruck entstehen, dass "das ganze Geschmäckle" habe. Zum Wohle der Akzeptanz des Bergbaus soll deshalb eine Bundesratsinitiative angestoßen werden. Das Ziel: die Unabhängigkeit von Markscheidern. Diese soll im Bundesbergbaugesetz festgeschrieben werden.

Eine mögliche Lösung wäre, die Markscheider direkt der Bezirksregierung zu unterstellen. Doch dass das nicht von heute auf morgen geht, ist allen Beteiligten klar. "Wir müssen dicke Bretter bohren", sagt Sundermann. Zunächst wird es im Landtag eine Expertenanhörung geben. Dann beschäftigt sich das Parlament mit dem Thema. Vor der Sommerpause dürfte wenig passieren. Die CDU interpretiert die Haltung der Regierung denn auch als Untätigkeit. Sie wolle sich aus der Verantwortung stehlen, sagt Hovenjürgen.