Ein Bergmann arbeitet am Eingang des Stollens des Rosterbergs

Endloses Gerichtsverfahren

Tagesbruch in Siegen (Teil 1)

Stand: 17.12.2010, 02:00 Uhr

Im Februar 2004 machte der Einsturz einer alten Erzgrube unter dem Siegener Rosterberg zwei Mietshäuser zu Ruinen. Die staatliche Bergbehörde sei schuld daran, meinte der Hausbesitzer und klagte. Ein Ende des Prozesses vor dem Landgericht Siegen ist immer noch nicht abzusehen.

Von Stefan Michel

Am 12. Februar 2004 sackt der Boden unter dem Haus Gläserstr. 112 auf dem Siegener Rosterberg weg. Eine Hausecke bricht ab und verschwindet in der stillgelegten Erzgrube 'Hohe Grethe'. Das gesamte Fundament gerät in Bewegung und mit ihm auch das angrenzende Haus. In großer Hast werden die beiden einsturzgefährdeten Gebäude geräumt.

Sicherungsarbeiten als Auslöser?

Der Tagesbruch hat sich nicht ohne Vorwarnung ereignet: Bereits Tage zuvor hatte die Wohnungsverwaltungsgesellschaft, der die Häuser gehören, die Bergbehörde der Bezirksregierung Arnsberg alarmiert: Breite Risse hatten sich in den Wänden der Gebäude gebildet. Die staatlichen Bergbauingenieure waren bereits in der Nähe, denn sie suchten und sicherten schon seit Jahren gefährliche Hohlräume unter Siegener Wohnhäusern, Hohlräume, die der Erzbergbau über die Jahrhunderte hinterlassen hat. In der Gläserstraße 112 auf dem Rosterberg, an dem Haus mit den Rissen, ging die Bergbehörde nach der scheinbar bewährten Methode vor: Mit Bohrungen suchte sie nach unterirdischen Hohlräumen, um diese später durch eins der Bohrlöcher mit Beton zu füllen. Mit fatalen Folgen, wie die Wohnungsgesellschaft, der die beschädigten Häuser gehören, meint.

Einige Monate und vergebliche Einigungsversuche später erhebt die Wohnungsgesellschaft vor dem Landgericht Siegen Klage gegen das Land NRW: Dessen Arnsberger Bergbehörde habe mit ihren Sicherungsarbeiten den Tagesbruch erst ausgelöst. Die Gesellschaft fordert vom Land eine Million Euro Schadenersatz.

Gericht fällt vorerst kein Urteil

Fünfeinhalb Jahre gehen mit dem Hin- und Herschicken von Schriftsätzen ins Land, ohne dass sich die Kontrahenten auch nur ein einziges Mal vor Gericht gegenüberstehen. Am 26.04.2010 wird erstmals mündlich verhandelt. Doch ein Urteil fällt nicht. Vielmehr wird ein gerichtlich bestellter Gutachter gehört. Dessen Aussagen interpretieren beide Seiten höchst unterschiedlich. Der Tagesbruch sei laut Gutachter entstanden, "weil das Bergamt in Hohlräume Dämmer eingebracht hat", so der Anwalt der Klägerin. Durch das Gewicht des Dämmers seien dann Erdmassen in Bewegung gesetzt worden und in die Tiefe gerutscht. Der Anwalt des Landes hält hingegen fest, laut Gutachten hätte sich der Tagesbruch "auch ereignet, wenn das Land nichts gemacht hätte". Und eine Gerichtssprecherin sagt WDR.de: "Dem Gutachten zufolge sind die Arbeiten im Auftrag der Bergbaubehörde nach dem Stand der Technik ausgeführt worden." Beide Parteien haben bis zum Jahreswechsel 2010/11 Gelegenheit, zu dem Gutachten Stellung zu nehmen. Wann und ob das Gericht wieder in der Sache verhandelt, ist nicht entschieden worden.

Abriss erst nach Verfahrensende

Das schwer beschädigte Haus 112 und das angrenzende Haus stehen seit dem 12.02.2004 leer: Betreten verboten, Einsturzgefahr! Die früheren Bewohner der 16 betroffenen Wohnungen hatten nur ein Mal für kurze Zeit Gelegenheit, einige persönliche Gegenstände aus den Hausruinen zu bergen. Der Großteil ihrer Habe, darunter Möbel und Küchengeräte, ist für immer verloren. Dafür sind die früheren Mieter vom Land entschädigt worden. Sie haben längst andere Wohnungen bezogen, die meisten von ihnen bei derselben Wohnungsgesellschaft, die nun ebenfalls vom Land entschädigt werden will. Erst wenn der Rechtsstreit beendet ist, wird die Gesellschaft die Ruinen abreißen. Sie erwägt, dann dort einen Parkplatz anzulegen.

Trotz umfangreicher und komplizierter Sanierungsarbeiten bleibt der Rosterberg in Siegen unsicher. An drei weiteren Stellen öffnete sich seitdem hier die Erde.