Nach gut fünf Monaten in Untersuchungshaft kann Thomas Middelhoff freikommen - unter bestimmten Auflagen, die das Essener Landgericht am Dienstag (21.04.2015) bekanntgegeben hat. Demnach müssen der frühere Arcandor-Chef, seine Familie oder Bekannte Sicherheiten in Höhe von 895.000 Euro hinterlegen und der 61-Jährige muss seine Reisepässe abgeben. Außerdem muss er sich nach der Entlassung aus der Haft regelmäßig bei der Polizei melden und darf Deutschland nicht ohne Genehmigung des Gerichts verlassen. Ob Middelhoff die Auflagen oder einen Teil davon bereits erfüllt hat, wurde nicht bekannt.
Tatverdacht besteht weiter - Fluchtgefahr ist geringer
Nach Ansicht der zuständigen Strafkammer steht Middelhoff zwar weiterhin unter dringendem Tatverdacht. Auch die Fluchtgefahr bestehe nach wie vor - der aber könne mit den beschlossenen Auflagen begegnet werden, befand das Gericht. Angesichts der Erkrankung des Ex-Managers, die eine regelmäßige Behandlung erforderlich mache, sei der "Fluchtanreiz" zudem geringer. Schon gestern hatte das Gericht den Haftbefehl gegen den 61-Jährigen außer Vollzug gesetzt. Im November 2014 hatte das Essener Landgericht Middelhoff wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt und wegen Fluchtgefahr noch im Gerichtssaal verhaften lassen. Middelhoff bestreitet die Taten. Das Urteil gegen ihn ist noch nicht rechtskräftig: Über seine Revision entscheidet der Bundesgerichtshof - allerdings wohl erst in einigen Monaten.
Nach mehreren gescheiterten Versuchen der Anwälte, Middelhoff freizubekommen, hatte der jüngste Antrag auf Haftprüfung offensichtlich Erfolg. Der Ex-Manager musste nach Angaben seiner Anwälte in den letzten Wochen wiederholt im Krankenhaus behandelt werden. Der Grund: Durch wochenlangen Schlafentzug in der Haft sei sein Immunsystem geschwächt worden, was zum Ausbruch einer seltenen Autoimmunkrankheit geführt habe. Diese sei außerdem zunächst nicht korrekt behandelt worden. Die Essener Richter sehen das allerdings etwas anders: Für einen Zusammenhang zwischen Middelhoffs Erkrankung und den Haftbedingungen in der Essener JVA gebe es keine Anhaltspunkte.
Middelhoff hat sich in der JVA nicht beschwert
Auch NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) hat die Vorwürfe, die Middelhoffs Anwälte gegen die JVA erheben, zurückgewiesen. In einem Bericht für den Rechtsausschuss des Landtags heißt es, Middelhoff habe sich gegenüber dem Personal nicht über die Haftbedingungen beschwert. Den Wechsel in eine Gemeinschaftszelle mit einem zuverlässigen Mitfgefangenen habe er nachdrücklich abgelehnt. Zudem habe der Ex-Manager fast ständig Kontakt zum psychologischen Dienst der Haftanstalt gehabt. In einem Gespräch habe er gesagt, er fühle sich gut aufgehoben und schätze die Art und Weise, wie die Vollzugsbeamten mit ihm umgingen.
Middelhoff war dem Bericht zufolge zu Beginn seiner Haftzeit insgesamt gut vier Wochen lang rund um die Uhr alle 15 Minuten kontrolliert worden. Das sei die übliche Vorgehensweise bei Selbstmordgefahr: Zwei Psychologen seien davon ausgegangen, dass bei Middelhoff Suizidgefahr bestehe, heißt es. Nachts habe ein JVA-Bediensteter durch den Spion von Middelhoffs Zellentür geschaut, den Raum aber nicht betreten. Ein Licht sei zwar angeschaltet worden, aber nur kurz - und die 50 Zentimeter lange Neonröhre habe ihre Leuchtkraft erst langsam entwickelt, weshalb es bei "Dämmerlicht" geblieben sei.