Experten über die Rettung des Konzerns
"Jetzt beginnt das Pokerspiel"
Stand: 18.06.2009, 18:26 Uhr
Der Arcandor-Tochter Quelle droht nach Angaben des Insolvenzverwalters Görg in wenigen Tagen das Aus. Kann der Konzern Arcandor überhaupt noch als Ganzes erhalten werden? Die Meinungen darüber gehen bei Experten weit auseinander.
Von Petra Blum
Nach der Insolvenz des Handels- und Touristikkonzerns Arcandor hängt die Zukunft der Konzerntochter Quelle am seidenen Faden: Bekommt der Versandhändler nicht innerhalb von wenigen Tagen einen Massekredit von der KfW -Bank, um den Herbst- und Winter-Katalog zu drucken, kann der Geschäftsbetrieb nicht mehr aufrecht erhalten werden. Das sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg bei seiner Zwischenbilanz am Donnerstag (18.06.2009). Inzwischen laufen Gespräche mit dem Bund und dem Land Bayern zur Rettung von Quelle, das seinen Hauptsitz in Nürnberg hat.
Im Gegensatz dazu stehen die Karstadt-Warenhäuser offenbar besser da als angenommen. Nach Görgs Angaben braucht Karstadt keinen Massekredit, um den Geschäftsbetrieb zu sichern. Auch die Finanzierung des Weihnachtsgeschäfts traue sich Karstadt zu, sagte Görg. Ziel sei es immer noch, den Konzern als Ganzes zu erhalten. Ob der insolvente Handels- und Touristikkonzern allerdings noch als Ganzes erhalten werden kann - darüber gibt es sehr unterschiedliche Einschätzungen von Experten und Beteiligten.
"Positives Signal an Lieferanten und Belegschaft"
Insolvenzexperte Hans Haarmeyer von der Fachhochschule Koblenz glaubt, dass noch Chancen bestehen, durch kluges Restrukturieren den kompletten Arcandor-Konzern zu sanieren und mit all seinen Töchtern zu erhalten. Er beurteilt die öffentliche Zwischenbilanz des vorläufigen Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg als klares Signal an potenzielle Investoren: "Vor allem die Aussage, dass Karstadt bis Ende des Jahres durchfinanziert ist - das ist ein Signal an den potenziellen Käufer Metro: Karstadt ist nicht auf die Schnelle zu haben." Haarmeyer glaubt, dass Karstadt nun, wo die Löhne und Gehälter erst einmal für drei Monate von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt werden, durchaus wieder genug finanzielle Mittel aufbauen könne, um bis Ende des Jahres durchzuhalten. "Und das heutige positive Signal ging natürlich auch an die Adresse der Lieferanten von Karstadt", betont er. Görg habe außerdem mit seinen Aussagen der Belegschaft Mut gemacht und Ruhe in das Verfahren gebracht.
Auch bezüglich des Verandhändlers Quelle sieht Haarmeyer gute Chancen, dass ein Kredit gewährt werden könnte: "Die Insolvenzverwalter geben ein Zeichen, dass sie für Karstadt keine Staatshilfe benötigen, um so politische Bereitschaft zu schaffen, statt dessen Quelle zu helfen", sagt Haarmeyer. Denn sollte der Versandhändler nicht den Herbst- und Winterkatalog drucken können, für den momentan das Geld fehlt, sei das gleichbedeutend mit dem Ende von Quelle. Dass insgesamt Arbeitsplätze abgebaut werden, glaubt aber auch Haarmeyer. Er schätzt, dass rund 30.000 von 50.000 Jobs bei Arcandor durch das Insolvenzverfahren gerettet werden können, die meisten davon bei Karstadt.
"Erhalt des ganzen Konzerns ist Wunschvorstellung"
Der Handelsexperte Thomas Roeb von der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg hält es hingegen für "eine Wunschvorstellung", dass Arcandor als Gesamtkonzern aus dem Insolvenzverfahren hervorgeht. "Das halte ich für schwer vorstellbar", sagt Roeb. Schließlich seien die Kosten- Ersparnisse zwischen den beiden Hauptbestandteilen des Konzerns - der Warenhauskette Karstadt und dem Versandhändler Quelle - doch sehr gering. "Die beiden Konzernteile können sich nicht gegenseitig stützen, im Gegenteil, sie belasten sich noch", sagt Roeb. Er hält es deswegen für wahrscheinlicher, dass am Ende einzelne Teile des Konzerns herausgelöst und an Investoren verkauft werden. Gleichwohl glaubt Roeb, dass der vorläufige Insolvenzverwalter seine Verhandlungsposition durch die heutige öffentliche Zwischenbilanz verbessert hat. "Vor allem gegenüber einem potenziellen Investoren für Karstadt, der ja eigentlich nur Metro heißen kann", erklärt Roeb: "Jetzt fängt das Pokerspiel an."
"Über ordnungspolitischen Schatten springen"
Bei der Gewerkschaft Verdi hält man gleichwohl an dem Ziel fest, nicht nur möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, sondern sich auch für den Erhalt von Arcandor einsetzen zu wollen. "Im Idealfall kann der Konzern als Ganzes gerettet werden", sagt verdi-Sprecher Jan Jurczyk. Allerdings ist bei der Gewerkschaft die Enttäuschung groß, dass der Bund Arcandor fallen ließ, als es um mögliche Rettungsbeihilfen für das Unternehmen ging. Die Kritik richtet sich vor allem gegen CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich mehrfach gegen Staatshilfen für Konzerne ausgesprochen hatte. "Nun hoffen die Gewerkschafter, dass die bayerische Staatsregierung doch noch Quelle zur Seite springt. "Wenn dafür jemand über seinen ordnungspolitischen Schatten springen muss, dann soll er das jetzt tun", fordert Jurczyk. "Aber man muss sich schon fragen, welche Maßstäbe da angelegt werden."