Hellseherin

(Begriffserläuterung im Rahmen der NSU-Berichterstattung)

Am Tag nach dem Anschlag in der Keupstraße meldet sich bei der Kölner Polizei telefonisch eine Hellseherin aus München und behauptet, sie hätte "eine mediale Durchsage" erhalten – wie es in einem Vermerk der Polizei heißt. Zunächst gibt sie an, die Tat hätte einen terroristischen Hintergrund, in einem weiteren Telefonat spricht sie dann von "Banden, die Rache als Motiv hätten" und "Rauschgift".

Schließlich fahren am 30. Juni 2004 zwei Beamte von Köln nach München zur Vernehmung der Frau. Die Beamten schildern später in einem "Eindrucksvermerk", die Hellseherin habe mit einem Kassettenrekorder hantiert: "Sie rief die Geister an und bat ihren verstorbenen Vater um Hilfe." Nach jeder gestellten Frage habe sie eine Pause eingelegt. Danach habe sie die nicht besprochenen Bandabschnitte nach Stimmen aus dem Jenseits abgehört. "Aufgrund fehlender Ausbildung war dies den Beamten jedoch nicht möglich", heißt es - möglicherweise ironisch - im Vermerk. Denn die Kölner Polizisten halten abschließend fest, dass die Hellseherin "in einer völlig irrationalen Welt lebt".

Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss sagt Kriminalhauptkommissar Weber, der die Ermittlungen zum Anschlag in der Keupstraße geleitet hat: Wir würden "das in einem vergleichbaren Fall sicherlich wieder tun, solange es keine anderen Dinge gibt, die da irgendwo schon die Richtung ganz klar vorgeben." Im Zweifel gehe es darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Er habe aber "ansonsten keinen Kontakt zu Wahrsagern". Dem Ausschuss versichert er im Juli 2012: "Glauben Sie mir, in der Kommission ist auch über diesen Fall gelacht worden."

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