Stichtag

11. September 1945 – Franz Beckenbauer wird geboren

Mit 20 Jahren gibt Franz Beckenbauer sein erstes Interview. Es ist das Jahr seines Debüts in der 1. Fußball-Bundesliga. Und schon wird er gefragt, was er denn nach seiner Karriere als Kicker machen wolle. "Mit Fußball möchte ich später nichts mehr zu tun haben", antwortet Beckenbauer, wie er sich später erinnern wird. "Und ein Trainerberuf kommt für mich wahrscheinlich nicht infrage."

Trainer wird Beckenbauer tatsächlich nie - nur Teamchef. Dass es trotzdem anders kommt, weiß heute die ganze Fußballnation: Nicht nur als Spieler und Mannschaftskapitän, sondern auch als Chef der Nationalmannschaft und Funktionär des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) besetzt Beckenbauer bis heute souverän den imaginären Thron des Fußball-Kaisers.

Geerbtes Fußball-Gen

Geboren wird Beckenbauer am 11. September 1945 in München-Giesing. Das Fußball-Gen liegt in der Familie: Sein Onkel Alfons, der auch bei Bayer München spielt, ist in den 20er und 30er Jahren fünf Mal in Länderspielen der "Deutschen Arbeiternationalmannschaft". Beckenbauer selbst erlernt das Fußballspiel beim SC 1906 München. 1963 debütiert er beim FC Bayern München in der Aufstiegsrunde zur ersten Bundesliga gegen den FC St. Pauli, wo er auch sein erstes Pflichtspieltor erzielt.

Es ist der Beginn einer beispiellosen Karriere. Als Spieler gewinnt Beckenbauer vier Mal die deutsche Meisterschaft, 1974 führt er die deutsche Nationalmannschaft als Mannschaftskapitän zum zweiten WM-Titel. Von 1984 bis 1990 ist er zudem Teamchef der deutschen Nationalmannschaft. Das Bild, wie er nach dem WM-Sieg seiner Jungs im letzten Jahr seiner Amtszeit einsam und gedankenversunken über den Rasen schlendert, schreibt Fernsehgeschichte – auch wenn sich seine anschließende Prophezeiung, dass diese Mannschaft auf Jahre hin nicht mehr zu schlagen sei, als allzu vollmundig erweist.

DFB gegen DGB

Von 1998 bis 2010 ist Beckenbauer Vizepräsident des DFB. Als Sportfunktionär ist er maßgeblich daran beteiligt, dass die Fußball-WM 2006 nach Deutschland und das "Sommermärchen" zustande kommt. "Eine Weltmeisterschaft ins eigene Land zu holen und sie dann auch noch organisieren zu dürfen, diese Möglichkeit hast du nur einmal im Leben", wird er später sagen. Dies sei "das Highlight in meinem Fußballerleben" gewesen.

2013 macht sich Beckenbauer nach der massiven Kritik an den Arbeitsbedingungen von Wanderarbeitern auf den Baustellen der WM-Stadien in Katar mit dem Satz viele Feinde, er habe noch keinen einzigen Sklaven auf einer der Baustellen gesehen. "Vielleicht ist das der Grund, warum Herr Beckenbauer niemanden gesehen hat, weil er nicht da war", kontert damals der Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer.

Am Image des Fußball-Kaisers mag selbst das offenbar nicht ernsthaft zu rütteln. Die Aussagen seines ersten Interviews relativiert Beckenbauer in späteren Gesprächen ohnehin immer wieder. Ob er eigentlich noch könne, wird er da einmal gefragt. Und Beckenbauer antwortet: "Ja, doch, doch, a bisserl was geht noch. Wir Bayern haben ja dieses Sprichwort: Und ist der Hang auch noch so steil, a bisserl was geht allerweil."

Es spricht nichts dafür, dass dies nach seinem 70. Geburtstag anders werden könnte.

Stand: 11.09.2015

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