Stärker als jede Spielsituation prägen bis heute zwei Szenen ohne Ball die Erinnerung an die Weltmeisterschaft 1990. Da ist das niederländische "Lama" Frank Rijkaard, der Rudi Völler im Achtelfinale herzhaft in die Locken spuckt. Und da ist "Kaiser" Franz Beckenbauer, wie er nach dem Finalsieg ganz allein versonnen über den Rasen des Olympiastadions in Rom schlendert. Minuten vorher hat seine Elf im Endspiel gegen Argentinien zum dritten Mal den WM-Titel nach Deutschland geholt. Aber vielleicht denkt Beckenbauer in diesen Momenten des Triumphs auch noch einmal einige Wochen zurück, an die Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Italien. Erst mit einem 2:1-Zittersieg im allerletzten Spiel gegen Wales hatte Deutschland überhaupt die WM-Fahrkarte lösen können.
Elfmeter bahnen den Weg nach Rom
Während Argentinien als amtierender Weltmeister die Vorrunde mit einem blamablen 0:1 gegen Kamerun eröffnet, lässt die von Lothar Matthäus angeführte deutsche Mannschaft mit einem verdienten 4:1 über Jugoslawien die verkorkste Qualifikation vergessen. Mit einem weiteren ungefährdeten Erfolg über die Vereinigten Arabischen Emirate und einem Unentschieden gegen Kolumbien sichert sich Deutschland als Gruppen-Erster den Einzug ins Achtelfinale. Dort kommt es in Mailand zur dramatischen Begegnung mit den Niederlanden, die das deutsche Team trotz Rijkaards Spuck-Attacke und des folgenden unverständlichen Platzverweises gegen den betroffenen Völler mit 2:1 gewinnt. Nach einem mühevollen Viertelfinale gegen die Tschechen, das Matthäus per Strafstoß entscheidet, trifft Deutschland in der Runde der letzten Vier auf England. Nach 90 Minuten plus Verlängerung steht es immer noch 1:1. Doch im Elfmeterschießen scheitern die Engländer zweimal an Torhüter Bodo Illgner, und Deutschland zieht zum dritten Mal in Folge ins WM-Finale ein.
Maradona gegen Buchwald chancenlos
Am 8. Juli 1990 kommt es in Rom zur Neuauflage des Endspiels von 1986. Vor dem Anpfiff liegen die Sympathien der meisten Zuschauer eindeutig auf deutscher Seite. Denn die Argentinier mit ihrem Kapitän Diego Armando Maradona haben zuvor nicht nur Gastgeber Italien ausgeschaltet, sondern sich allein mit unansehnlichem "Rasen-Schach" und ausgezeichneten Paraden ihres Torhüters Sergio Goycochea die Final-Teilnahme gesichert. Auch das Endspiel vor 73.600 Zuschauern im Stadio Olimpico von Rom geht nicht als Höhepunkt in die Fußball-Annalen ein. Obwohl zwei Argentinier wegen rüder Fouls des Feldes verwiesen werden, bleibt das deutsche Sturm-Duo Völler/Klinsmann ohne Torerfolg. Auf der anderen Seite verschwindet Superstar Maradona völlig hinter der Abwehrarbeit von Verteidiger Guido Buchwald. Erst sechs Minuten vor Ende des Spiels veranlasst Völler mit einer umstrittenen Flugeinlage den Schiedsrichter zum Elfmeter-Pfiff. Den Strafstoß verwandelt Andreas Brehme mit einem sicheren Schuss in die linke Ecke zum 1:0-Siegtreffer. "Da hat der Rudi wohl etwas mitgeholfen", gesteht später selbst Weltmeister Franz Beckenbauer.