Stichtag

7. Dezember 2004 - Hamid Karsai als Präsident vereidigt

Die Anschläge vom 11. September 2001 haben die Welt verändert - insbesondere Afghanistan. Nach dem Angriff auf Amerika macht die Bush-Regierung die Verantwortlichen am Hindukusch aus: die Terrororganisation Al-Qaida und ihre Verbündeten, die Taliban. Wochen später stürzen die Vereinigten Staaten deren Regime in Afghanistan. In dieser Situation sucht Hamid Karsai dort das Gespräch mit religiösen Autoritäten und Stammesführern mit dem Ziel, eine Loya Jirga, einen Großen Rat aller Stammesoberhäupter, zu bilden. Karsai hat sowohl Verbindungen in Afghanistan als auch den USA: Er stammt einerseits aus einem einflussreichen Paschtunen-Clan, gehört aber zu keiner afghanischen Bürgerkriegspartei, und lebte andererseits einige Zeit im amerikanischen Exil, wo er eng mit US-Sicherheitskräften kooperierte.

Im Dezember 2001 wird Karsai auf der Petersberger Konferenz zum Vorsitzenden der Übergangsregierung bestimmt. Doch deren Glaubwürdigkeit leidet, weil die alten Kriegsfürsten ihren Einfluss behalten. "Die sind ja mobilisiert worden, um die Taliban zu schlagen, weil die Amerikaner und die anderen westlichen Staaten keine Bodentruppen schicken wollten", sagt Thomas Ruttig von der Recherche-Organisation "Afghanistan Analysts Network" in Kabul. "Die Entschädigung war eine Aufnahme ins politische System, obwohl bekannt war, dass viele von ihnen massivste Menschenrechtsverletzungen begangen hatten."

Warlords belasten Demokratie

Schon bald verlieren viele Afghanen den Glauben an einen gesellschaftlichen Wandel. "Die Demokratie ist von vornherein durch die Wiedereingliederung der Warlords und der Kommandanten letztendlich kontaminiert worden", sagt Ruttig.

Im Januar 2004 verabschiedet die Loya Jirga eine neue Verfassung, die dem Präsidenten eine starke Stellung gibt. Im Oktober finden Wahlen statt. "Für afghanische Verhältnisse waren sie so frei und fair, wie sie sein konnten", so Ruttig. Karsai, der die Wahlen gewinnt, wird am 7. Dezember 2004 als Präsident Afghanistans vereidigt. "Unser Kampf gegen Terrorismus ist noch nicht vorüber", sagt er noch am selben Tag. "Die Verbindung von Terrorismus und Drogenhandel sowie die andauernde Bedrohung durch Extremisten bleiben Grund zur Sorge."

13-jährige Amtszeit

Während Karsais Präsidentschaft ist, verbessert sich die Sicherheitslage kaum - trotz der Präsenz ausländischer Truppen. Auch Korruption ist weit verbreitet. Es seien Milliardenbeträge ins Land geflossen, sagt Ruttig. "Selbst die Weltbank sagt, dass ungefähr nur ein Viertel davon im Lande geblieben ist." Auch das politische System ist marode: Bei Karsais Wiederwahl 2009 gibt es massive Manipulationen.

Viele enttäuschte Afghanen wenden sich von Karsai ab und unterstützen seither die Taliban. "Sie sind überall im Land präsent", sagt Ruttig. "Das waren sie in den ersten Jahren nach 2001 nicht." Das zeige, "dass sehr vieles auf der Regierungsseite, und damit auch mit internationaler Unterstützung, falsch gelaufen ist." Seit September 2014 hat Afghanistan einen neuen Präsidenten. Am Wahlprozedere, das Ashraf Ghani zum Sieger erklärte, bestehen erhebliche Zweifel. Trotzdem hat damit erstmals ein demokratischer Machtwechsel in Afghanistan stattgefunden: Nach 13 Jahren an der Spitze des Staates ist Hamid Karsai abgetreten.

Stand: 07.12.2014

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