Stichtag

2. Oktober 1869 - Mahatma Gandhi wird geboren

Was haben Nelson Mandela, Michail Gorbatschow, Albert Schweitzer, Mutter Teresa, Martin Luther King, Lech Walesa und der Dalai Lama gemeinsam? "Das sind alles Schüler von Gandhi", sagt Peter Rühe, Leiter der Gandhi-Stiftung in Berlin. Jede dieser Persönlichkeiten habe sich auf den indischen Anwalt berufen und dessen Ethik der Gewaltfreiheit in ihrem jeweiligen regionalen Bereich eingesetzt.

Geboren wird Mohandas Karamchand Gandhi am 2. Oktober 1869 im westindischen Porbandar. Seine Familie gehört der Dritten Kaste der Händler und Bauern an. Als Kaufleute sind die Gandhis jedoch schon seit Generationen nicht mehr tätig. Gandhis Vater ist Premierminister des kleinen Fürstenstaats Gujarat, nördlich von Bombay, dem heutigen Mumbai. Die Mutter ist eine stark den religiösen Traditionen verhaftete Hinduistin. Zunächst deutet nichts daraufhin, dass aus dem schüchternen Jungen einmal der bekannteste Inder werden würde, dem schon zu Lebzeiten der Ehrenname "Mahatma" ("die große Seele") verliehen wird.

Anwalt in Südafrika

Noch als Schulkind wird Gandhi im Alter von sieben Jahren verlobt, mit 13 Jahren verheiratet. Später setzt er sich massiv gegen die in Indien übliche Kinderehe ein. Er sorgt dafür, dass seine Frau Kasturba lesen und schreiben lernt. Zum Studium nach England darf sie ihn aber nicht begleiten. Die Familie wünscht, dass Gandhi dort Jura studiert. Als Jurist soll er später den Ministerposten seines Vaters übernehmen und so die Großfamilie ernähren. Mit 18 Jahren geht er nach London. Drei Jahre später kehrt er als Anwalt zurück. Einer seiner ersten Fälle, die Verteidigung eines indisch-muslimischen Händlers, führt in nach Südafrika. Geplant ist nur ein kurzer Aufenthalt, doch es werden 21 Jahre daraus.

Der niedergeschlagene Zulu-Aufstand 1906 leitet die große Wende in Gandhis Leben ein. "Das war kein Krieg, sondern eine Menschenjagd", erinnert er sich später. "Das hat ihn aus seinem bürgerlichen Leben herausgerissen", sagt Geschichtsprofessor Dietmar Rothermund von der Universität Heidelberg. Gandhi habe beschlossen, sich nur der Arbeit gegen die Gewalt zu widmen. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs kehrt er nach Indien zurück und tritt dem Indischen Nationalkongress bei, dessen oberstes Ziel die Unabhängigkeit seiner Heimat vom britischen Kolonialreich ist. Daneben plant Gandhi ein umfangreiches Reformprogramm für Indien. Er fordert: "Schulbildung für die Millionen Bauern. Einsatz für die Unberührbaren, die wie Aussätzige behandelt werden. Zivilen Widerstand gegen das Textilmonopol der Briten: Inder, kauft indische Produkte und spinnt eure Wolle selbst!"

Taktik der Gesetzesübertretung

Das Spinnrad wird zu Gandhis Markenzeichen. "Seine Taktik war immer: Man suche sich ein ungerechtes Gesetz und übertrete es gezielt", so Professor Rothermund. Er reist von Dorf zu Dorf und wirbt für seine Ideen: Einheit von Hindus und Muslimen, Einführung des Hindustani und der Regionalsprachen anstelle von Englisch. "Sein Programm füllte unsere Gefängnisse", wettert 1939 Lord George Lloyd, der zusammen mit Winston Churchill einer der Hauptgegner der indischen Unabhängigkeit ist. "Gandhis Experiment war das kolossalste Experiment der Weltgeschichte. Aber er konnte die menschlichen Leidenschaften nicht kontrollieren. Die Menschen wurden gewalttätig und er brach sein Programm ab."

Spätestens seit den britischen Massakern an Indern in Amritsar 1919 nimmt die Radikalisierung zu. Gandhi hält Reden, führt Kampagnen, fastet öffentlich. Doch Anfang der 1940er Jahre erreicht er die breite Bevölkerung Indiens nicht mehr. Gandhis Mitstreiter drängen - im Gegensatz zu ihm - auf eine schnelle Unabhängigkeit und die Teilung Indiens aufgrund ethnisch-religiöser Konflikte in zwei unabhängige Staaten: Pakistan und Indien. Im August 1947 werden die beiden Länder unabhängig. Gandhi beugt sich dem Unvermeidlichen und fordert nun als Konsequenz auch die Teilung der indischen Staatskasse zugunsten Pakistans. Das ist zu viel. Fünf Monate später, am 30. Januar 1948, wird Mahatma Gandhi von einem Hindu-Nationalisten erschossen.

Stand: 02.10.2014

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