Stichtag

27. April 1974 - Rudi Carrell startet "Am Laufenden Band"

"Wünsch dir was", "Dalli Dalli", "Der Große Preis", "Musik ist Trumpf": Die Siebziger sind das goldene Jahrzehnt der deutschen Fernsehshows. Der Quotenkönig am Samstagabend ist ein Holländer mit markantem Akzent: Rudi Carrell mit seiner turbulenten Familienshow "Am Laufenden Band".

Wie kein anderer Showmaster schafft es der quirlige Schlacks, Menschen von sechs bis sechsundachtzig mit ideenreichen Spielen, blühendem Blödsinn und ausgefallenen Kandidaten zu unterhalten. Zwischen 20 und 30 Millionen Zuschauer sind regelmäßig dabei, wenn einmal im Monat "Am Laufenden Band" live aus einem Studio von Radio Bremen kommt.

Aufwändiges Kandidaten-Casting

Sechs Jahre hat sich Rudi Carrell nach seinem ersten TV-Erfolg in Deutschland, der "Rudi Carrell Show", Zeit gelassen. Etwas mit originellen Typen als Kandidaten möchte er als Nächstes machen, nur kein Quiz, das ist ihm viel zu langweilig. Am besten gefällt Carrell eine Show, die seine Kollegin Mies Bouwman erfunden und mit riesigem Erfolg in Holland präsentiert hat. Er kauft die Lizenz und nimmt, da die Realisierung das Budget seines Haussender Radio Bremen übersteigt, den WDR als Finanzier ins Boot.

Beim WDR stößt Carrell auch auf den geeigneten Produzenten für seine Sendung, einen jungen, noch unbekannten Fernsehschaffenden namens Alfred Biolek. Am 27. April 1974 strahlt die ARD die erste Ausgabe von "Am Laufenden Band" aus. Vier Paare treten gegeneinander an, wobei jedes Duo aus einer Familie, aber aus verschiedenen Generationen kommt. In Runde eins bestreiten die Kandidaten lustige Erkennungsspielchen. Dann müssen sie sich aus dem Stegreif als Akteure in komisch-absurden Szenen beweisen. Einfallsreichtum und Schlagfertigkeit sind Trumpf. Deshalb treibt Carrells Redaktion beim Casting der Kandidaten einen enormen Aufwand.

Muhammad Ali geht k.o.

Für Lacher sorgen auch Prominente von Bühne, Fernsehen und Sport, die als Überraschungsgäste in Spielen und Sketchen auftreten. Selbst internationale Stars wie Harry Belafonte, Louis de Funès oder Bud Spencer machen jeden Carrell-Spaß mit. TV-Detektiv Kojak alias Telly Savalas lässt sich die Glatze frisieren. Den Vogel schießt Boxchampion Muhammad Ali ab: mit einem Showkampf gegen die Kandidaten. Ali, selbst ein gewiefter Showman, lässt sich in großer Pose auf die Bretter schicken – ausgeknockt von einer rundlichen Dame im Großgeblümten. Ein anderer rundlicher Typ wird an Rudi Carrells Seite zum Publikumsliebling: Heinz Eckner, das gemütlich-komische Faktotum in jeder Sendung.

Drei Finalfragen zur Tagesschau vom selben Abend entscheiden über den Sieg, dann wird es erst richtig spannend. Hinter dem laufenden Band thronend, bekommt der Gewinner 40 Preise vorgeführt. Von Freibier über Fresskorb und Staubsauger bis zum Globus als Symbol für eine Flugreise ist alles drin. Als Clou gibt es immer ein Fragezeichen, hinter dem sich ein besonders origineller Preis verbirgt. Was der Gewinner dann in 30 Sekunden aufzählen kann, darf er mitnehmen. An das Fragezeichen erinnert sich natürlich bald jeder.

Am Silvesterabend 1979 präsentiert Rudi Carrell nach 51 Ausgaben zum letzten Mal "Am Laufenden Band". Die Zuschauerquote ist immer noch Spitze. Der kettenrauchende Carrell aber ist mit Ideen und Nerven am Ende und verkündet: "Nie wieder Fernsehen!" Zwei Jahre später landet er mit "Rudis Tagesshow" den nächsten Volltreffer.

Stand: 27.04.2014

Programmtipps:

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