Nach 51 Ausgaben seiner Samstagabend-Show "Am laufenden Band" ist Rudi Carrell mit den Nerven am Ende. "Nie wieder Fernsehen", verkündet das Zugpferd der ARD 1979 und verabschiedet sich in den Dauerurlaub nach Südfrankreich. Lange hält der Vollblut-Entertainer die Mattscheiben-Abstinenz nicht aus. Nur knapp zwei Jahren später meldet sich der schlaksige Holländer mit einer neuen Show-Idee aus dem sonnigen Vorruhestand zurück.
Den Stress einer großen Live-Show will sich Carrell aber nicht mehr antun. Vom 12. Oktober 1981 an geht er montags um 22 Uhr mit der 30-minütigen "Rudis Tagesshow" auf Sendung, einem für das deutsche Fernsehen ganz neuen Format: Von Radio Bremen in kleiner Kulisse produziert, verjuxt Carrell nun die seriös und meist staubtrocken präsentierten Meldungen von "Tagesschau" und ZDF-"heute" mit respektlosen Zwischenschnitten und witzigen Texten.
Voll aufgedrehte Pointen-Dusche
Abgeguckt hat sich Rudi Carrell die Nachrichten-Parodie bei der britischen BBC, die ihre Zuschauer seit Jahren erfolgreich mit "Not the Nine o'Clock News" (Nicht die Neun-Uhr-Nachrichten) amüsiert. In "Rudis Tagesshow“ werden nun auch hierzulande Politiker veralbert, die die Deutschen bislang nur in staatstragender Attitüde aus dem Fernsehen kennen. "Politiker wurden in kabarettistisch-satirisch verfremdete Zusammenhänge gestellt und damit von ihren selbst errichteten Sockeln gestoßen", erklärt Axel Beyer, Ex-Unterhaltungschef des WDR und damals Carrells Redakteur.
Abgerundet wird die Persiflage der aktuellen Nachrichtenlage durch Sketche, gespielt von Klaus Havenstein, Beatrice Richter und Diether Krebs. "Alle 30 Sekunden einen Lacher" hatte Carrell angekündigt und so die Erwartungen entsprechend angeheizt. Während das Presseecho nach der Premiere eher gemischt ausfällt - von "…riss niemanden vom Hocker" (Express) bis "voll aufgedrehte Pointendusche" (Münstersche Zeitung), kommt "Rudis Tagesshow" beim damals nicht gerade spaßverwöhnten TV-Publikum gut an. Trotz später Sendezeit lachen regelmäßig bis zu zehn Millionen Zuschauer über Carrells Politiker-Bashing.
Chomeini und der Dessous-Skandal
Ein besonders dankbares Carrell-Opfer gibt Arbeitsminister Norbert Blüm ab. In einer Staffel wird der eher klein gewachsene, aber mit viel Selbstironie ausgestattete CDU-Politiker so oft durch den Kakao gezogen, dass er sich schließlich höchstpersönlich an dem kalauernden Holländer rächt: Er kippt ihm einen Eimer Wasser über den Kopf und konstatiert: "In einem Bremer Studio wurde heute Abend deutlich, dass ein deutscher Minister einem holländischen Showmaster durchaus das Wasser reichen kann".
1987 allerdings geht ein Gag im wahrsten Wortsinn voll in die Hose und "Rudis Tageshow" wird selbst zum Nachrichten-Thema. Hinter Bilder des von Iranern umjubelten Ayatollah Chomeini, der, so Tagesschau-O-Ton, "mit Geschenken überhäuft wird", schneidet Carrell Hände, die in Damen-Höschen und BHs wühlen. Teheran reagiert zutiefst beleidigt und weist deutsche Diplomaten aus. Um den Skandal zu befrieden, muss sich Carrell schließlich offiziell bei Chomeini und dem iranischen Volk entschuldigen. "Das war", meint heute Axel Beyer, "einer der Punkte, wo Carrell ein bisschen die Lust an dieser Sendung verloren hat." Noch im selben Jahr verabschiedet sich Rudi Carrell nach 39 Folgen und trotz anhaltenden Erfolgs von seiner "Tagesshow".
Stand: 12.10.2011
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