Stichtag

24. August 1963 - Premiere der neu gegründeten Bundesliga

Schiedsrichter Alfred Ott hat es offenbar eilig an jenem historischen August-Samstag im Bremer Weserstadion. Um 16.59 Uhr pfeift der Unparteiische die erste Partie der neu gegründeten Fußball-Bundesliga an - eine Minute vor der offiziellen Anstoßzeit. Der Fehlstart wäre vielleicht nicht weiter aufgefallen - hätte Timo Konietzka von Borussia Dortmund nicht schon rund 30 Sekunden später das Premierentor der Bundesliga erzielt – auch nach 50 Jahren immer noch einer der schnellsten Treffer in der Liga-Geschichte.

Fotografen und Fernsehkameras hatten das Spiel noch gar nicht im Visier. Deshalb gibt es von Konietzkas Pioniertat keinen Bildbeweis - was der Torschütze sehr bedauert. Tausende Male musste Konietzka seither seine Glanztat schildern: "Lothar Emmerich lief links mit dem Ball zur Grundlinie. Dann Flanke zur Mitte. Da stand ich zehn Meter vom Tor weg und brauchte nur noch den Fuß hinzuhalten."

Es geht ums Geld

Als "Ende der Fußball-Steinzeit" bejubeln Sportpresse und Fußballfans die Einführung der höchsten Spielklasse. Bisher ermittelte jede der vier Oberligen und die Stadtliga Berlin ihre besten Teams unter sich. Die spielten dann in einer Endrunde um den Titel des Deutschen Meisters. Ein System, das die Bundesliga-Befürworter schon lange für antiquiert hielten. "Die Bundesliga hätte eigentlich schon in den 30er Jahren eingeführt werden können", erklärt der Bonner Historiker Nils Havemann. "Es gab damals Überlegungen, eine landesweite Reichsliga einzuführen. Aber die scheiterte vornehmlich an steuerrechtlichen Bedenken."

Es geht ums Geld, ein in den Oberligen heikles Thema. Die Vereine besitzen offiziell Amateurstatus, gelten also als gemeinnützig und zahlen fast keine Steuern. Viele können sich nur so ihre Spieler leisten. Die dürfen Ende der 50er Jahre nur rund 400 Mark verdienen. Inoffiziell aber sind viele Spieler schon längst mindestens Halbprofis. Top-Akteure erhalten unter der Hand geldwerte Leistungen oder Gagen aus schwarzen Kassen, um sie zu halten. Für reiche Klubs wie den 1. FC Köln unter seinem mächtigen Präsidenten Franz Kremer kein Problem. Statt der Besteuerung fürchtet Kremer viel mehr, dass seine Spitzenkicker zu finanzstarken Vereinen ins Ausland abwandern.

Bundesliga-Start ohne die Bayern

Doch wann immer die auch von Bundestrainer Sepp Herberger geforderte Bundesliga-Einführung zur Debatte steht, überstimmen hauptsächlich Klubs aus dem Süden die Befürworter um Franz Kremer. Lange Verhandlungen mit den Finanzämtern folgen. "Teilweise“, so Nils Havemann, "traf man sich wöchentlich, um eine Schneise ins deutsche Steuerrecht zu schlagen, um dann auch die Bundesliga steuerrechtlich sattelfest zu machen." Der Durchbruch gelingt Anfang der 60er Jahre. Der Fiskus sichert den Fußballern zu, ihre Steuervorteile behalten zu können. Auf dem DFB-Bundestag 1962 in Dortmund wird die Bundesliga endlich beschlossen.

46 Vereine bewerben sich, doch nur 16 Vereine werden vom DFB für würdig befunden. "Da gab’s Kriterien. Aber wie alle weichen Kriterien kann man die natürlich auch anders interpretieren und in Zweifel ziehen", erinnert sich der ehemalige ARD-Sportschau-Chef Heribert Faßbender. Schließlich entscheidet der Regionalproporz – unter anderem gegen Borussia Mönchengladbach und den FC Bayern München. Der spätere Rekordmeister ist noch nicht dabei, als der deutsche Fußball am 24. August 1963 in eine neue Ära aufbricht. Meister werden am Ende der ersten Saison Franz Kremers Geißböcke aus Köln.

Stand: 24.08.2013

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