Publius Aelius Hadrianus ist Statthalter Syriens und mächtigster Armeeführer Roms, als er im August 117 von seiner Truppe zum Kaiser ausgerufen wird. Sein verstorbener Vorgänger und Ziehvater Trajan hinterlässt ihm ein ebenso gewaltiges wie problematisches Erbe. Nie zuvor beherrschte das römische Reich mehr Völker und Länder, doch nun bedrohen zahlreiche Konflikte die Grenzen; seine Größe droht dem Imperium zum Verhängnis zu werden.
Nach der Erhebung zum Kaiser eilt der 41-jährige Hadrian nicht sofort nach Rom. Statt wie sein Vorgänger weiter auf Expansion zu setzen, beendet er Trajans gescheiterten Feldzug gegen die Parther und gibt zur Sicherung der Grenzen eroberte Gebiete in Mesopotamien, Kleinasien und an der Donau preis. Bei den sieggewohnten Römern schafft sich Hadrian so viele Feinde. Vier Senatoren, die die Legitimation seiner Herrschaft anzweifeln, lässt er durch seinen Gardepräfekten in Rom als Hochverräter hinrichten.
Pedantischer Aktenfresser
Trotz der brutalen Kommandoaktion, die sein Verhältnis zum Senat belastet, zählt Hadrian nicht zu den blutrünstigen, egomanen Tyrannen unter Roms Kaisern. "Er war … streng und genial, würdevoll und verspielt, zögerlich und schnell im Handeln, geizig und großzügig, hinterlistig und aufrichtig, grausam und gnädig, und stets in allen Dingen wandelbar." So charakterisiert eine der wenigen erhaltenen Quellen zu Hadrian, die Historia Augusta, den aus Spanien stammenden Kaiser.
Die Schrift gilt als historisch fragwürdig, doch in Bezug auf Hadrian, urteilt der Aachener Althistoriker Jörg Fündling, trifft sie im Kern zu: "Hadrian war eine faszinierende Persönlichkeit, die sich nicht ausrechnen ließ. Aber er hat sicher eine sehr, sehr gute Arbeit gemacht und sich nicht geschont in den über zwei Jahrzehnten seiner Regierungszeit." Die meiste Zeit verbringt Hadrian nicht in Rom; er reist durch die Provinzen, reformiert die Armeen und baut die römische Infrastruktur aus wie kein Herrscher vor ihm. Zur Befriedung Britanniens lässt er in Nordengland den Vallum Aelium, den bis heute erhaltenen Hadrianswall errichten. Auch in der zivilen Verwaltung gönnt sich Hadrian keine Pause. Als unermüdlicher und pedantischer Aktenfresser gefürchtet, erlässt er in einem fort Gesetze und Vorschriften.
Miturheber des Nahostkonflikts
Zugleich fördert Hadrian Architektur und Künste mit immenser Freigebigkeit; seine Vorbilder findet er bei den alten Griechen. Anders als der cäsarisch glatt rasierte Trajan trägt Hadrian Locken und Bart und prägt damit lange die römische Mode. Obwohl verheiratet, gilt seine ganze Liebe einem Knaben namens Antinoos, der ihn auf allen Reisen begleitet. Als Antinoos im Jahr 130 unter mysteriösen Umständen im Nil ertrinkt, beginnt der Stern des bereits schwer kranken Hadrian zu sinken.
Im Jahr 132 rebelliert in Judäa die jüdische Bevölkerung gegen Roms Herrschaft. Mit brutaler Gewalt schlägt der Kaiser die als Bar-Kochba-Aufstand in die Geschichte eingegangene Erhebung nieder und benennt Judäa in Syria-Palaestina um. "Nach ihm gibt es in Judäa bis zum späten 19. Jahrhundert keine flächendeckende jüdische Bevölkerung mehr", erläutert der Althistoriker Fündling. Hadrian könne daher als Miturheber des heutigen Nahost-Konflikts gesehen werden. Bettlägerig und lebensmüde ruiniert der Imperator sein Ansehen in Rom, als er, um seine Nachfolge zu regeln, zwei hochrangige Politiker und weitläufige Verwandte aus dem Weg räumen lässt. Mit 62 Jahren stirbt Hadrian am 10. Juli 138 in Baiae am Golf von Neapel.
Stand: 10.07.2013
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