Stichtag

24. Juli 1883: Geburtstag von Katia Mann

Thomas Mann ist bereits erfolgreicher Autor der "Buddenbrooks", als er 1904 das begehrteste Mädchen Münchens erobern will, Katharina Pringsheim. "Ich sehe Sie links vorne hereinkommen, mit Ihrer Mutter und Ihren Brüdern, sehe, wie Sie zu Ihrem Platz in einer der vorderen Stuhlreihen gehen, sehe den Silberschal um Ihre Schultern, Ihr schwarzes Haar, die Perlenblässe Ihres Gesichtes darunter, Ihre Miene, mit der Sie verbergen wollen, dass Sie die Blicke der Leute auf sich fühlen", schreibt er. Hinten auf den billigen Plätzen beobachtet der Schriftsteller aus Lübeck sie durch ein Opernglas. "Katias Vater war Professor für Mathematik und Erbe eines großen Vermögens. Die Pringsheims waren eine der reichsten Familien in München, sie verkehrten mit vielen prominenten Menschen ihrer Zeit", erklärt die Schriftstellerin und Familienforscherin Marianne Krüll, die ein Buch über die Manns geschrieben hat.

Katias Brüdern verspotten ihn als "leberleidenden Rittmeister"

Obwohl es ihn zu Männern zieht, ist der 29-jährige Thomas entschlossen, sich in Katia zu verlieben. Doch der steife Mann aus Lübeck ist nur einer von vielen Verehrern und wird von Katias Brüdern als "leberleidender Rittmeister" verspottet. Obwohl er sie mit Briefen bombardiert, zögert die 20-Jährige, geboren am 24. Juli 1883, lange. "Meine Mutter hat mir das oft erzählt. Sie wollte überhaupt noch nicht heiraten. Sie hat sich zu Hause in dem wunderbaren Palais wohlgefühlt und war auch überhaupt nicht in ihn verliebt", erinnert sich Elisabeth Mann, fünftes Kind und jüngste Tochter von Katia und Thomas Mann, im Rückblick.

Mann bleibt hartnäckig und im Februar 1905 findet die Hochzeit statt. Von nun an kümmert sich Katia Mann um die schnell wachsende Kinderschar, das Personal, den Haushalt und den sensiblen Schriftsteller an ihrer Seite. Sie schirmt ihn vor der Welt ab, ist Vertraute und Ratgeberin, kümmert sich um Verträge, tippt seine Manuskripte ab. Wenn Thomas schreibt oder ruht, hat im Haus absolute Stille zu herrschen. "Mein Vater hatte ein natürliches Prestige und wurde von meiner Mutter sehr darin bestärkt. Man konnte sich unmöglich schlecht aufführen in seiner Gegenwart", erinnert sich Elisabeth Mann.

Als Mutter kann Katia Mann schroff und ungerecht sein

Die sechs Kinder sind alle begabt, doch entwickeln sich fast alle zu unglücklichen Erwachsenen. Es ist viel darüber spekuliert worden, in welchem Ausmaß die Atmosphäre in der Familie zu den späteren Selbstmorden von Klaus und Michael, zur Drogensucht und den Depressionen anderer Geschwister beigetragen hat. "Katia war eine Mutter, die viel für die Familie gesorgt hat und für die Kinder immer präsent war. Aber eine Wärme, eine liebevolle Zuwendung war da nicht", behauptet die Mann-Biographin Krüll.

Sie kann schroff und ungerecht sein, wenn eines der Kinder nicht den gewaltigen Erwartungen seiner Eltern entspricht. Und Thomas Mann ist ohnehin kaum in der Lage, Gefühle zu zeigen. Sohn Golo zeichnet ein beklemmendes Bild: "Mit ihm allein zu sein war mir geradezu fürchterlich. Ich erzählte einmal meinem Bruder Michael, dass ich, wenn ich allein mit meinen Eltern zu Abend äße, ich mir immer vorher einige Punkte aufschriebe, worüber man reden könnte, damit das Gespräch nicht stockt und ein peinliches Schweigen entsteht. Und Michael hat herzlich gelacht und gesagt: Ich mache es genauso."

"Solange Menschen meiner gedenken, wird ihrer gedacht sein"

Als Thomas Mann 1955 stirbt, haben er und Katia ein halbes Jahrhundert miteinander verbracht – und sind sich unentbehrlich geworden. "Es war natürlich eine Liebe, es war eine große Liebe, aber in einer Weise gelebt, die damals eben angemessen war für ihre Situation", sagt Marianne Krüll.

Katia überlebt ihren Ehemann um 25 Jahre und stirbt 1980 kurz vor dem 97. Geburtstag. Thomas Mann wusste immer, was er an ihr hat: "Solange Menschen meiner gedenken, wird ihrer gedacht sein."

Stand: 24.07.2013

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