Viele Verleger interessieren sich für Schriftsteller erst, wenn diese schon erfolgreich sind. Anders Samuel Fischer. Nachdem er Schreibproben eines jungen, kaum bekannten Autoren gelesen hat, ermutigt er ihn, einen Roman zu schreiben. Obwohl ihm Thomas Manns Buch erst zu lang erscheint, wagt er es und verlegt 1901 "Die Buddenbrooks". Der Gesellschaftsroman wird in den Kanon der Weltliteratur eingehen. Beim Aufklappen des Buches erblickt der Leser das Signet "Fischer mit dem Netz", das von Otto Eckmann gezeichnete Markenzeichen des S. Fischer Verlags. Es zeigt Samuel Fischer, den legendären Gründervater: Er wirft sein Netz aus, nach Manuskripten, Büchern und Autoren.
Fischer gilt als Begründer des ersten modernen Autorenverlags und bald als einer der erfolgreichsten belletristischen Verleger Deutschlands. In Berlin hebt er junge Autoren auf die literarische Bühne, die heute als Klassiker der Moderne gelten: Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Hermann Hesse, Thomas Mann, Gerhart Hauptmann. "Er hat sie alle gefunden, da waren sie um die zwanzig! Alle vor 1900! Und er hat sehr viel dafür geopfert, sie ein Leben lang zu behalten. Da ist keiner abgesprungen. Es gab Kämpfe, Kriege, Erpressungen. Aber sie sind alle bis zu seinem Tod, oder bis zu ihrem Tod, bei ihm geblieben", sagt die Autorin Barbara Hoffmeister, die die Biografie "S. Fischer, der Verleger" verfasst hat.
Dank Stadtbahn Startkapital für den Verlag
Samuel, genannt Sami Fischer, wird 1858 oder 1859 als jüngster Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Liptószentmiklós geboren, einem kleinen Ort in der Slowakei, damals Oberungarn. Im Alter von etwa 13 oder 14 Jahren geht er nach Wien, wo sich seine Spur zunächst verliert. Ein einziges Mal taucht Fischers Name auf, in einem Register für Abendkurse an einer Handelsschule. Erst 1883 erscheint er wieder: Seine erster nachweisbarer Wohnort ist ein Haus in Berlin an der Kochstraße, Ecke Friedrichstraße, dort, wo sich später der Checkpoint Charly befand. 1879 muss Fischer bereits in Berlin angekommen sein, mit der Eisenbahn und am neu erbauten Anhalter Bahnhof. Er arbeitet als Angestellter, dann Kompagnon des Buchhändlers und Kleinverlegers Hugo Steinitz. Doch beide müssen das Haus bald räumen. Die Stadtbahn frisst sich durch Berlin und braucht Platz. Die Ablösesumme ist vermutlich Fischers Startkapital für den eigenen Verlag, gegründet am 1. September 1886.
Der norwegische Dichter Ibsen ist Fischers erster Autor
Hendrik Ibsens Schauspiel „Rosmersholm“ erscheint als erstes literarisches Werk mit dem Impressum S. Fischer Verlag. Fischers Verdienst ist es, sich die Rechte an den Werken des Norwegers gesichert zu haben, der damals bereits ein berühmter Dichter ist. Noch zu Lebzeiten Ibsens gibt er das Gesamtwerk heraus – als erster Verlag weltweit. Die Gesamtausgaben noch lebender Autoren werden bald zum Markenzeichen des S. Fischer Verlags. Und Samuel Fischer entdeckt eine weitere Marktlücke. Er besetzt die Mitte zwischen billigen Schundromanen und hochwertigen Ausgaben: schöne Bücher und moderne Weltliteratur zum günstigen Preis. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts verlegt Fischer eine fortlaufende Reihe zeitgenössischer Romane, die für eine Reichsmark zu haben sind. Das echte Taschenbuch kommt erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf, zunächst bei Rowohlt, 1952 auch im Fischer-Verlag. Den leitet inzwischen Samuel Fischers Schwiegersohn Gottfried Bermann Fischer. Die Emigration der Familie während der Nazi-Zeit, eine abenteuerliche Flucht über Wien und Stockholm nach Amerika, erlebt der Gründervater nicht mehr: Samuel Fischer stirbt am 15. Oktober 1934 in seinem Haus in Berlin-Grunewald.
1936 wird der Verlag geteilt. Gottfried Bermann Fischer betreut einen Teil der Autoren vom Ausland aus, in Nazi-Deutschland arbeitet Peter Suhrkamp mit den Werken nicht verbotener Autoren weiter. Nach Kriegsende bleibt der Verlag geteilt, ab 1950 gibt es offiziell den S. Fischer Verlag und den Suhrkamp Verlag. Fischer-Autoren wie Hermann Hesse und Bertolt Brecht gehen zu Suhrkamp. Im gleichen Jahr lassen sich beide Verlage in Frankfurt am Main nieder. Ab 1963 wird der Fischer-Verlag Schritt für Schritt an die Holtzbrinck-Gruppe verkauft, zu der er noch heute gehört.
Stand: 01.09.2011
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