Stichtag

2. Mai 1998 - Profifußballer Justin Fashanu bringt sich um

Über homosexuelle Fußballstars wird seit Langem mehr oder minder öffentlich spekuliert. Unter Präsident Theo Zwanziger startet der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mehrere Initiativen gegen Schwulenfeindlichkeit. Doch alle Statements, Broschüren und Seminare bewirken keine spürbare Veränderung: Kein deutscher Spieler hat es bisher gewagt, sich als schwul zu outen. Noch immer gilt das Schicksal von Justin Fashanu als abschreckendes Beispiel. Der Engländer nigerianischer Abstammung ist bis heute der einzige Fußball-Profi, der sich als Aktiver zu seiner Homosexualität bekannte – und für sein Coming-out letztlich mit seinem Leben bezahlte.

Aus der Bahn geworfener Shootingstar

Ein spektakuläres Tor für Norwich City macht den 19-jährigen Justin Fashanu 1979 auf einen Schlag in Großbritannien berühmt. Zwei Jahre später wechselt der Sohn eines Londoner Anwalts zum Topclub Nottingham Forest – für eine Million Pfund, die höchste Transfersumme, die je für einen schwarzen Fußballer bezahlt wurde. Der charmante, intelligente Fashanu genießt Ruhm und Geld in vollen Zügen. Als Dauergast in den Medien präsentiert er sich als Vorkämpfer für die Rechte der Schwarzen auf der Insel. Auf dem Rasen jedoch gelingt dem Torjäger nicht mehr viel.

Nottinghams cholerischer Coach Brian Clough lässt seinen Jungstar deutlich spüren, dass er nichts von ihm hält. Als Clough erfährt, dass Fashanu in Schwulenbars verkehrt, mobbt er ihn aus der Mannschaft und schiebt ihn als Leihspieler zu anderen Vereinen ab. Auch dort findet Fashanu, durch eine Knieverletzung gehandicapt, nicht mehr zu seiner Topform zurück. Bei mehreren Clubs in den USA und Kanada startet der gefallene Star einen Neuanfang. Halt sucht er in fundamentalistischen Bibelkreisen. Öffentlich schwört Fashanu sexueller Lust ab, betreibt aber gleichzeitig in Los Angeles eine Bar für Homosexuelle.

Als Vergewaltiger beschuldigt

1989 kehrt Justin Fashanu in die englische Premier League zurück. Gegen den Rat seines Bruders verkauft er dem Boulevardblatt "The Sun" für 80.000 Pfund sein Coming-out. Im Oktober 1990 erscheint Fashanus Foto mit der Schlagzeile: "Eine Million Pfund teurer Fußballstar: 'Ich bin schwul'!". Als er zugeben muss, dass einige Berichte über Sex mit Prominenten erfunden waren, wenden sich selbst enge Freunde von ihm ab. Fashanu beginnt erneut eine Irrfahrt mit etlichen Kurz-Engagements in Nordamerika, Schweden und Schottland. Auf rassistische Beschimpfungen reagiert er nach außen unbeeindruckt, doch 1995 weicht er wieder in die USA aus.

Als Jugendtrainer in Maryland wird Fashanu im April 1998 von einem 17-jährigen Spieler der Vergewaltigung beschuldigt. Nach einer Polizeibefragung taucht er in England unter; alten Freunden gegenüber beschwört er seine Unschuld. Dann verbreitet sich die Meldung, der Fußballer werde mit internationalem Haftbefehl gesucht. Einen Tag später, am 2. Mai 1998, setzt der 37-Jährige seinem Leben ein Ende und erhängt sich in einer Londoner Garage. Kurz darauf erweist sich die Meldung über den Haftbefehl als falsch. "Schwul und eine Person des öffentlichen Lebens zu sein, ist hart", schreibt Justin Fashanu in seinem Abschiedsbrief.

Stand: 02.05.2013

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