"Das Geschlechtsleben ist der Grund der Ehe". Und gleichzeitig fehlt den meisten Eheleuten zur befriedigenden Sexualität die Basis. Davon ist Theodor Hendrik van de Velde überzeugt. Vor allem Männer seien nur auf ihre eigene Lust fixiert, glaubt der niederländische Gynäkologe: "Diesem Mangel abzuhelfen und Mittel und Wege zu finden, um das Geschlechtsleben in der Ehe harmonisch und blühend zu gestalten – das ist die Aufgabe, die ich mir gestellt habe."
So steht es in van de Veldes Buch "Die vollkommene Ehe". 1926 erscheint es gleichzeitig in niederländischer und deutscher Sprache: Die erste Auflage ist innerhalb von zwei Wochen vergriffen. Im englischsprachigen Raum verkauft sich das Buch später millionenfach.
Trilogie des Eheglücks
Van de Velde wird 1873 in Leeuwarden geboren. Nach dem Medizinstudium arbeitet er zunächst in Amsterdam, bevor er 1904 Leiter der gynäkologischen Station eines Krankenhauses in Haarlem wird. Seine erste Ehe ist nicht harmonisch; dann verliebt er sich in eine Patientin, die selbst verheiratet und Mutter ist. Als die Affäre ruchbar wird, muss er das Krankenhaus verlassen. Nach der Scheidung heiratet er 1913 seine Geliebte, mit der er jahrelang glücklich in der Schweiz zusammenlebt.
Im Tessin schreibt van de Velde seine "Trilogie des ehelichen Glücks", deren erster Band "Die vollkommene Ehe" ist. Auf 270 Seiten und acht Schautafeln gibt der Autor hier ganz konkrete Tipps von "Körperküssen" auf erogene Zonen beim Liebesspiel bis hin zur Erzeugung von "Erregungszuständen" vor dem Koitus.
Auf dem Index
Die Nachfolgebände der "Vollkommenen Ehe" – "Die Abneigung in der Ehe" (1928) und "Die Fruchtbarkeit in der Ehe und ihre wunschgemäße Beeinflussung" (1929) – werden längst nicht mehr so populär wie van de Veldes Erstlingswerk. Das setzt die katholische Kirche 1931 auf den Index der verbotenen Bücher.
Auch Protestanten tun sich mit van de Veldes Ehebuch zunehmend schwer. In Schweden gilt es gar als pornografisch und bis in die 1960er Jahre als jugendgefährdend. Davon bekommt van de Velde nichts mehr mit. Er stirbt am 28. April 1937 auf seinem Anwesen in der Nähe von Locarno. Noch der Film "Van de Velde: Das Leben zu zweit - Sexualität in der Ehe" von 1969 beruft sich auf ihn.
Stand: 27.04.2012
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