Geschirrberge sind Josephine Cochrane ein Graus. Ständig türmen sich Teller und Tassen zum Abwasch, denn die reiche Politiker-Gattin aus Illinois lädt gern zu großen Hauspartys. Das Personal aber hantiert nicht gerade zimperlich mit dem teuren Porzellan; regelmäßig gehen wertvolle Stücke zu Bruch. Mitte der 1880er Jahre hat Mrs. Cochrane - des Klanges wegen fügt sie dem Ehenamen Cochran gern ein –e hinzu - von Scherben endgültig die Nase voll; sie beginnt selbst zu spülen.
Mit den Händen im Abwaschwasser kommt der 1839 als Tochter eines Ingenieurs geborenen Lady die Idee ihres Lebens. Praktisch veranlagt biegt sie Drahtkörbe zurecht, zeichnet detaillierte Konstruktionen, entwirft eine ausgeklügelte Mechanik und lässt präzise nach ihren Plänen einen monströsen Apparat von zwei Meter Höhe und Länge bauen: die erste Geschirrspülmaschine der Welt. Am 28. Dezember 1886 meldet Josephine Cochrane ihre arbeits- und materialsparende Erfindung zum Patent an.
Als Mann zur Weltausstellung
Die Geschäftswelt reagiert höchst skeptisch auf die Maschine. "Warum ein halbes Vermögen ausgeben für etwas, das die Hausfrau perfekt mit den Händen macht", muss sich die Erfinderin immer wieder fragen lassen. Nur ein Hotelmanager lässt sich überzeugen und bestellt für 800 Dollar den ersten Geschirrspüler. Den größten Triumph feiert Josephine Cochrane auf der Weltausstellung 1893 in ihrer Heimatstadt Chicago. Für die beste mechanische Konstruktion wird ihr der erste Preis zuerkannt - genauer gesagt, einem Mr. Cochrane, denn als Frau wurde sie nicht zur Weltausstellung zugelassen.
Ermutigt durch die Auszeichnung, gründet die unternehmungslustige Lady ihre eigene Firma, die "Cochran’s Crescent Washing Machine Company". Doch die Käufer bleiben auf einen kleinen gewerblichen Kundenkreis beschränkt. Auf den Einzug in private Haushalte muss die Spülmaschine selbst im technikverrückten Amerika noch Jahrzehnte warten. Josephine Cochrane verkauft ihre Firma an den Küchengerätehersteller Kitchenaid; 1913 stirbt sie im Alter von 74 Jahren. Einige Jahre später bereist ein junger Mann aus Herzebrock bei Gütersloh die USA.
Mieles Modell A
Zurück in der Heimat erzählt er seinem Vater Reinhard Zinkann und dessen Kompagnon Carl Miele von den technischen Errungenschaften der Neuen Welt. Miele und Zinkann bauen in ihrer Fabrik seit zwei Jahrzehnten erfolgreich Milchzentrifugen und Elektromotoren, Butter- und Waschmaschinen. Interessiert lauschen die Unternehmer den Berichten von Zinkann junior und erfahren so vermutlich auch von Josephine Cochranes Erfindung. 1929 baut die Firma Miele die erste Geschirrspülmaschine Europas.
Das "Modell A", ein runder Bottich, der aussieht wie ein Einwecktopf mit Motor und Beinen, ist bedeutend kleiner als das US-Vorbild und damit die erste für den Hausgebrauch geeignete Spülmaschine. Heute steht sie in Gütersloh im Museum. Doch wie Cochranes Prototyp ist das Modell A noch ein unerschwinglicher Luxusartikel. Nach nur wenigen Exemplaren stellt Miele die Produktion ein und nimmt sie erst zu Beginn der 60er Jahre wieder auf. Etliche Mängel in Sachen Reinlichkeit müssen die Ingenieure der Geschirrspülmaschine aber noch abgewöhnen, bis sie 20 Jahre später ihren Siegeszug antreten kann. In zwei Dritteln aller deutschen Haushalte erledigt heute die Maschine das Spülen und wer eine hat, mag nicht mehr auf sie verzichten.
Stand: 28.12.2011
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 28. Dezember 2011 ebenfalls an die Erfindung der Spülmaschine. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.