"Sie zermürbt alle, die zu ihrem Hofstaat gehören…, redet 14-15 Stunden unausgesetzt laut und lang über aufregende Themen mit Dutzenden verschiedenen Personen und ist niemals allein." So klagt Viktoria über ihre Schwiegermutter. Andere Zeitgenossen äußern sich ähnlich über Augusta, die erste Kaiserin des Deutschen Reichs. Bismarck nennt sie "Nervensäge" und "alte Fregatte". Ihr Mann, später Wilhelm I., tauft sie schon in jungen Ehejahren "Feuerkopf" und atmet auf, wenn Augusta zur Kur in ihr geliebtes Rheinland reist.
Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach, am 30. September 1811 geboren, ist 17 Jahre alt, als Prinz Wilhelm von Preußen um ihre Hand anhält. Damals in Weimar schwärmt noch der ganze Hof von der Enkelin des Herzogs Carl August. Sogar der große Goethe lobt die wohlerzogene Prinzessin in höchsten Tönen: so liebenswürdig, so originell, welch heller Verstand und reiches Wissen! Aufrichtig in Wilhelm verliebt, nimmt Augusta den Antrag des schmucken Preußen an – obwohl sie weiß, dass sie nur zweite Wahl ist.
Als Femme d'Esprit unerwünscht
An Augusta schätzt Wilhelm nur deren "deliziösen Humor", sonst "lässt sie mich kalt". Seine Liebe gehört der schönen polnischen Prinzessin Elisa Radziwill. Weil ihm als möglichem Thronfolger eine Hochzeit mit der nicht standesgemäßen Elisa verboten wird, nimmt er frustriert 1829 Augusta zur Frau. Schon bald muss das Mädchen erkennen, dass sie ihrem Mann die "engelsgleiche" Elisa nicht ersetzen kann. Zudem gerät die geistreiche, liberale Augusta mit ihren pazifistischen Ansichten am königlichen Hof ins Abseits.
Wilhelm sind politische Diskussionen mit der ihm geistig überlegenen Gattin zuwider. Ihr scharfer Verstand, beschwert er sich, gäben ihr "einen Anstrich von femme d'esprit, der nicht erwünscht für sie ist." Gegen Demütigungen und Gängeleien wappnet sich Augusta mehr und mehr mit einer Maske emotionaler Kälte und aufopfernder Pflichterfüllung. Als Wilhelm sich 1849 bei der Niederschlagung revolutionärer Aufstände in Berlin den Schimpfnamen "Kartätschenprinz" einhandelt, trifft die Verachtung der Untertanen auch die sozial engagierte, aber unnahbar wirkende Augusta.
Eiserne Disziplin bis zum Tod
Ihre glücklichsten Jahre erlebt Augusta, als Wilhelm 1850 zum Militärgouverneur des Rheinlands und Westfalens ernannt wird. Sie bezieht das Kurfürstliche Schloss in Koblenz und gestaltet das Hofleben nach ihren liberalen Vorstellungen. Umso härter trifft sie die erzwungene Rückkehr nach Berlin, als der 61-jährige Wilhelm 1858 die Regentschaft für seinen erkrankten Bruder Friedrich Wilhelm IV. übernimmt. 1861 stirbt der kinderlose König und Wilhelm I. besteigt den preußischen Thron. Im Jahr darauf ernennt er Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten. Für Augusta eine Katastrophe, denn die radikale Pazifistin hasst den reaktionären Junker, der sie für ihre Friedensliebe verachtet, zutiefst.
Nach der Reichsgründung durch Bismarck 1871 steigt Augusta an der Seite Wilhelms widerwillig zur ersten Kaiserin des Deutschen Reichs auf. Von schweren Depressionen gequält, malträtiert sie Familie und Hofstaat mit ihren Launen und politischen Einmischungen. Der Zustand verschlimmert sich noch, als sie 1881 schwer stürzt und fortan an den Rollstuhl gefesselt ist. Doch mit eiserner Disziplin erfüllt die unnahbare Majestät weiter ihre kaiserlichen Pflichten. All ihre Hoffnungen richten sich auf den vergötterten Enkel, der 1888 nach dem Tod ihres Mannes und des Thronfolgers Friedrich III. als Wilhelm II. deutscher Kaiser wird. Wie die "herrlichen Zeiten" aussehen, in die Wilhelm II. sein Volk führen will, muss die friedensliebende Kaiser-Großmutter nicht mehr miterleben. Am 7. Januar 1890 stirbt Augusta in Berlin. "Die hat mir viel Not bereitet, aber sie blieb immer eine vornehme Frau voll Pflichtgefühl. Diese Art stirbt aus", zollt ausgerechnet der Erzfeind Bismarck ihr Respekt.
Stand: 30.09.2011
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