Im Atelier von Edgar Degas geben sich die Frauen in den 1870er Jahren förmlich die Klinke in die Hand. Stundenlang müssen die Modelle so tun, als würden sie sich waschen oder einen Tanzschritt üben, während Degas die Szene mit Pinsel und Farbe fixiert.
"Keine Kunst ist weniger spontan als die meine, Inspiration und Spontanität sind mir unbekannt", beschreibt Degas seine akribische Arbeitsweise. Dennoch sind seine Bilder neu: Sie bilden nicht nur das Gesehene ab, sondern sind für die Zeit ungewöhnlich arrangiert.
Auf der Suche nach Motiven
Degas platziert etwa seine Hauptfigur an die Seite und die Bildmitte bleibt leer. "Manchmal reicht das Papier oder die Leinwand gar nicht aus, und dann sind die Figuren vom Rand überschnitten", erklärt Gerhard Finckh, Direktor des Von der Heydt-Museums in Wuppertal. Dann habe man das Gefühl, man könne sich an die Fersen des Künstlers heften und ganz ungewöhnliche Dinge in Paris entdecken.
So wie Edgar Degas, der stundenlang durch seine Geburtsstadt schlendert und Motive sucht. Ein Flaneur, den das Pariser Alltagsleben in den Bann zieht: Wäscherinnen, Marktfrauen, Jockeys beim Pferderennen. Er selbst lebt als Sohn einer wohlhabenden Bankerfamilie in einer sozial privilegierten Stellung, kennt harte Arbeit und diszipliniertes Training nur aus der Entfernung.
Das Glück der wohlhabenden Geburt
Das vorgesehene Jurastudium nimmt der 1834 geborene Degas nicht ernst, entdeckt die Malerei und wechselt an die École des Beaux-Arts. Die gegenüber der Kunst aufgeschlossene Familie unterstützt den Ältesten von fünf Geschwistern. Der Vater stellt ein Atelier zur Verfügung. Finanzielle Not, wie sie viele seiner Kollegen kennen, muss Degas dank seiner betuchten Familie nie leiden.
Nach der Kunstschule kopiert Degas zunächst die alten Meister, eignet sich deren Techniken an und ist häufiger Gast in den Pariser Kunstmuseen. "Malen ist nicht schwierig, solange man nichts davon versteht. Hat man diese Kunst aber begriffen, dann wird man gefordert", sagt Degas.
Von den alten Meistern zu jungen Damen
Nach einer kurzen Phase mit Historienbildern entwickelt Degas seinen eigenen Stil, wird zu einem der bekanntesten Künstler zwischen Klassik und Moderne. "Man malte damals noch Allegorien oder bedeutende Ereignisse. Das war nicht Degas' Sache, er wollte das moderne Leben malen", erklärt Kunsthistoriker Finckh.
Das moderne Leben fängt Degas auf seinen Streifzügen durch Paris ein. Der Maler beobachtet Menschen und fängt ihre Unfreiheiten ein. So platziert er einen Mann mit Zylinder im Hintergrund zur jungen Tänzerin. Eine Anspielung darauf, dass es im 19. Jahrhundert schick ist, eine Tänzerin der Pariser Oper als Geliebte zu haben.
Unterwegs fertigt Degas kleine Skizzen mit dem Kohlestift an, die er später in seinem Atelier auf die Leinwand überträgt. Anders als die Impressionisten, mit denen er gemeinsam mehrmals ausstellt, malt Degas nie im Freien.
Verschroben und antisemitisch
Später entdeckt der Maler die Fotografie und die Bildhauerei. Seine Werke erzielen bereits zu Lebzeiten hohe Preise und machen ihn auch außerhalb Frankreichs bekannt. Dennoch führt Degas das Leben eines Außenseiters. Er lebt alleine mit Haushälterinnen, gilt als verschroben und wird zum Antisemiten.
Im Alter erblindet Degas und muss die Malerei aufgeben. Zuletzt kann er nur noch kleine Skulpturen aus Wachs modellieren. Er stirbt am 27. September 1917 mit 83 Jahren. Auf seinem Grabstein steht lapidar: "Er liebte das Zeichnen sehr."
-
- 13. Dezember 1944 - Wassily Kandinsky stirbt in Frankreich | mehr
-
-
-
-
- 14. November 1840 - Geburtstag von Claude Monet | mehr
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
Stichtag am 28.09.2017: Vor 130 Jahren: Geburtstag Avery Brundage