"Wenn Sie dem Pferd verfallen sind, dann sind Sie es, dann brauchen Sie es auch gar nicht mehr erklären", beschreibt Reiner Klimke einmal seine große Leidenschaft und fügt hinzu: "Wer kein Pferdemann ist, kapiert das ohnehin nicht." Für den erfolgreichsten Dressurreiter der Welt ist ein Leben ohne Pferde undenkbar. Er arbeite, um zu reiten. Denn anders als viele seiner sportlichen Konkurrenten geht der Notar und Rechtsanwalt jeden Tag ins Büro.
Dieser Spagat zwischen Kanzlei und Pferdesport gelingt dank eines straffen Zeitplans und großer Unterstützung der Familie. "Ich kenne keinen Menschen, der wirklich so fleißig und so organisiert und strukturiert seinen Tag abgearbeitet hat", erinnert sich seine Tochter Ingrid Klimke, die heute ebenfalls erfolgreich reitet. Ehefrau Ruth, selbst passionierte Reiterin, kümmert sich um die drei Kinder und trainiert seine Pferde mit. Sie ist auch Klimkes ehrlichste und strengste Kritikerin, begleitet ihn zu allen Turnieren.
Vom olympischen Fieber infiziert
Geboren wird Reiner Klimke am 14. Januar 1936 in Münster als Sohn von Hobby-Reitern. Im Zweiten Weltkrieg wird er auf einen Hof ins Münsterland geschickt und entdeckt dort ebenfalls seine Liebe zu den großen Vierbeinern. Zurück in Münster fährt er mit dem Fahrrad ins 20 Kilometer entfernte Westbevern, um dort zu reiten. Klimkes Talent fällt auf und er wechselt 1948 an die Westfälische Reit- und Fahrschule in Münster, von dort holt man ihn ins westfälische Pferdemekka Warendorf. Jedes Wochenende startet der angehende Jurist auf geliehenen Pferden bei Turnieren und macht sich so bald auch international einen Namen.
Bei den Olympischen Spielen in Stockholm 1956 ist Klimke als Ersatzreiter im Kader. Vier Jahre später belegt er in Rom als Military-Reiter den 18. Platz. Dann muss er aus Zeitmangel die Disziplin wechseln. "Als Military-Reiter müssen Sie vier bis fünf Stunden täglich trainieren", so Klimke. So viel Zeit lässt ihm der Beruf nicht. Doch bald feiert der Jurist als Dressurreiter große Erfolge. Er gewinnt Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Mannschaftsgold bei den Olympischen Spielen in Tokio, Mexiko und Montreal. Pferd und Reiter sollen sich so harmonisch abstimmen, dass der Ritt zum Tanz wird, lautet das Credo des Dressurreiters.
Die größten Erfolge mit Pferd Ahlerich
Klimke bildet 40 Pferde bis zum Grand Prix, der schwierigsten Dressurklasse, selbst aus. Er versteht es meisterlich, die Stärken der Tiere herauszuarbeiten - ohne jede Gewalt. "Du musst in das Auge des Pferdes schauen und dann siehst Du, ob das Pferd zufrieden und glücklich ist", sagt Klimke. Sein Erfolgrezept ist seine Geduld, die mit dem vierjährigen Wallach Ahlerich, der 1975 in seinen Stall kommt, besonders auf die Probe gestellt wird. Talentiert, temperamentvoll und charakterstark - von so einem Pferd hatte Klimke immer geträumt. "Wenn Ahlerich nicht auch jemanden gehabt hätte, der ihm mal Paroli bietet, dann möchte ich nicht wissen, was der mit einem anderen Reiter gemacht hätte", erzählt Tochter Inge lachend.
Mit dem temperamentvollen Braunen feiert Klimke seine größten Erfolge: zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles. Auch in Seoul holen sie noch einmal gemeinsam Gold mit der Mannschaft. Danach geht das Ausnahmepferd mit siebzehn Jahren in Rente. Klimke widmet sich seiner Kanzlei und zieht für die CDU in den Düsseldorfer Landtag ein, wo er mit dafür sorgt, dass Sport als Staatsziel in die Landesverfassung verankert wird. Schließlich entdeckt Klimke mit Biotop noch einmal ein Toppferd und nimmt mit über 60 Jahren die Olympischen Spiele 2000 ins Visier. Doch im August 1999 erleidet Reiner Klimke zwei Herzinfarkte und stirbt.
Stand: 14.01.2016
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