Vom Jubel, mit denen die deutschen Soldaten in den Ersten Weltkrieg gezogen waren, blieb nicht viel. Wer zurückkehrte, hatte sichtbare oder unsichtbare Wunden. Heldengeschichten konnten kaum erzählt werden, also schwieg man.
Erst als rund zehn Jahre später ein Roman von Erich Maria Remarque erscheint, erhalten die Soldaten eine Stimme. In dem Buch "Im Westen nichts Neues" schildert Remarque den absurden und grausamen Alltag des Krieges. Und berichtet fast beiläufig davon, was die ständige Lebensgefahr mit den Soldaten macht.
"In den Ästen hängen Tote. Ein nackter Soldat hockt in einer Stammgabelung, er hat seinen Helm noch auf dem Kopf, sonst ist er unbekleidet. Nur eine Hälfte sitzt von ihm dort oben, ein Oberkörper, dem die Beine fehlen", heißt es im Roman.
Von den Nationalsozialisten verboten
Für die Soldaten sind solche Szenen Alltag. Genau wegen dieses pazifistischen Grundtons wird das Buch 14 Jahre später von den Nationalsozialisten öffentlich verbrannt.
Dem Roman vorangestellt ist ein Wunsch des Autors. "Dieses Buch soll weder eine Anklage, noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam."
Remarque: "Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg"
"Im Westen nichts Neues" erscheint als Vorabdruck in der "Vossischen Zeitung", am 31. Januar 1929 in Buchform. In einem Interview erzählt Remarque später: "Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg. Bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hineingehen müssen."
Remarque hat selbst im Ersten Weltkrieg gekämpft. Schwer verletzt verbringt er viele Monate in einem Lazarett in Duisburg.
Nationalsozialisten machen Propaganda gegen Buch und Film
"Im Westen nichts Neues" wird weltweit ein großer Erfolg und schon 1930 in den USA verfilmt. Der Antikriegsfilm erhält sogar einen Oscar. Doch in Deutschland führen Buch und Film zu Unruhen, ausgelöst durch die Nationalsozialisten.
Mit Hilfe der SA lässt Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels. Kinoaufführungen in Berlin massiv stören: "Schon nach zehn Minuten gleicht das Kino einem Tollhaus. Die Polizei ist machtlos. ... Heute morgen: Die Zeitungen sind voll von unserem Protest. ... Die Nation steht auf unserer Seite. Also: Sieg", schreibt Goebbels in seinem Tagebuch.
Die Nationalsozialisten wollen den Mythos des ruhmreichen Kampfes fortschreiben. Ein solches Antikriegsbuch können sie dabei nicht gebrauchen.
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