22. November 1959 - Erster Auftritt des DDR-Sandmännchens

Stand: 22.11.2019, 00:00 Uhr

Am 22. November 1959 um 18:55 Uhr stiefelt ein müder Geselle durch die romantisch verschneite Kulisse einer deutschen Kleinstadt. Mit Schlafmütze und Stoffsack bewaffnet, hat er den Auftrag, Sand in Kinderaugen zu streuen - und schläft am Ende an einer Häuserecke selber ein. Prompt bieten ihm mehrere Kinder in Briefen ihr Bettchen an, Großmütter wollen wärmere Kleidung stricken. Die DDR-Sendung "Unser Sandmännchen" ist ein riesiger Erfolg.

Der Erstausstrahlung ist ein Kampf ums Kinderzimmer vorangegangen, der – wie der Kampf ums All – nur mit der Logik des Kalten Krieges zu erklären ist. Wenige Wochen vorher erfährt DDR-Fernseh-Programmchef Walter Heynowski von den Plänen des Senders Freies Berlin (SFB) zu einer täglichen Gute-Nacht-Sendung mit einer Sandmännchenfigur, die in der Vorweihnachtszeit starten soll. Sofort vermutet er, dass der Feindsender die Ost-Kindersendung "Abendgruß" torpedieren wolle: "Die gegnerische Absicht, uns Zuschauer abzunehmen, darf nicht unterschätzt werden."

Erster Auftritt Ost-Sandmännchen (am 22.11.1959) WDR 2 Stichtag 22.11.2019 04:11 Min. Verfügbar bis 19.11.2029 WDR 2

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Ost-Sandmännchen im West-Fernsehen?

Im Verkehrsmuseum Dresden schauen sich die Sandmänner aus Ost und West (l) tief in die Augen. | Bildquelle: dpa

Als Schnellschuss entwickelt Gerhard Behrendt daraufhin in nur drei Wochen ein Sandmännchen-Pendant mit Spitzbart und Zipfelmütze, dessen Abenteuer im aufwendigen Stop-Motion-Verfahren gedreht werden. Zwei Wochen vor seinem Konkurrenten vom SFB kann "Unser Sandmännchen" im Deutschen Fernsehfunk (DFF) auf Sendung gehen. Als wohl einziger einfacher DDR-Bürger genießt das Sandmännchen fortan vollkommene Reisefreiheit. Nicht nur in die offiziellen DDR-Urlaubsländer Ungarn und ČSSR oder zu den vom Westen boykottierten Olympischen Spielen in Moskau (1980) darf es fahren, sondern auch nach Japan, Lappland oder Afrika. Exportiert wird die Serie in den Jemen, nach Sri Lanka und Mauritius, in die Mongolei und nach Vietnam.

Kinder schauen Fernsehen | Bildquelle: Privat

Mit seinem jüngerem Gesicht läuft das Ost-Sandmännchen seinem Genossen aus dem Westen stetig den Rang ab. Da hilft es auch nicht, dass der Norddeutsche Rundfunk (NDR) die Figur 1962 rundumerneuert. 1966 bietet der WDR sogar 120.000 D-Mark für eine Dreijahreslizenz. Aber die Verantwortlichen beim DFF fürchten, dass DDR-Kinder ihr Sandmännchen lieber im Westfernsehen schauen könnten. Das Angebot wird abgelehnt.

Der Westsandmann muss in Rente

Nach der Wiedervereinigung entstehen Gerüchte, dass das Ost-Sandmännchen mit dem Deutschen Fernsehfunk abgewickelt werden soll. Proteste sind die Folge, Eltern fürchten eine Traumatisierung ihrer Kinder. Letztlich muss das West-Sandmännchen in Rente, dem aktuellen Traumsandstreuer wird in Potsdam-Babelsberg Leben eingehaucht. Heute bringt "Unser Sandmännchen" jeden Tag die Kinder ins Bett, so im Kinderkanal (KI.KA.) um 18:50 Uhr.

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

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