Nico Schlotterbeck - als Innenverteidiger für die Zukunft erstmal Bankdrücker

Stand: 11.06.2024, 12:27 Uhr

Bei Borussia Dortmund war Nico Schlotterbeck in der Abwehr über die ganze Saison gesetzt und trug mit starken Leistungen maßgeblich zum Einzug ins Champions-League-Finale bei. In der Nationalmannschaft muss er sich erstmal hinten anstellen.

Der im schwäbischen Waiblingen geborene Nico Schlotterbeck kommt aus einer Fußballer-Familie, die aufs Verteidigen spezialisiert ist. Mit seinem älteren Bruder Keven stand er gemeinsam in der Defensive des SC Freiburg, und auch deren Onkel Niels verteidigte in den 80er- und 90er-Jahren in der Fußball-Bundesliga.

In Hoffenheim fiel Schlotterbeck im Probetraining durch

Gibt es so etwas wie ein Verteidiger-Gen, dürfte es bei den Schlotterbecks zu finden sein. So weit wie Nico schaffte es bis dato aber keiner aus der Familie. Onkel Niels war einst Zweitliga-Meister, während Bruder Keven in dieser Saison beim Relegationsspektakel inklusive verwandelten Elfmeter gegen Fortuna Düsseldorf den Klassenerhalt des VfL Bochum sicherte.

Stammspieler bei einem Topklub wie Borussia Dortmund und Nationalspieler - das ist ein Novum. Dass so ein steiler Aufstieg auch Glückssache ist, weiß Niels Schlotterbeck, der in Weinstadt eine Fußballschule betreibt, und seinen Neffen bei diesem Aufstieg phasenweise begleitet hat. Bei einem Probetraining in Hoffenheim, sei Nico als Teenager "sang- und klanglos durchgerasselt", so der Onkel 2019 in einem Tagesspiegel-Interview.

Katrastrophale Turnier-Premiere bei WM in Katar

Dies könne an den "Nerven" gelegen haben. Ein Problem, das Nico Schlotterbeck fünf Jahre später nach 126 Spielen in der Bundesliga, 20 in der Champions League und zwölf im Nationaltrikot abgelegt haben dürfte. Davon jedenfalls ist Bundestrainer Julian Nagelsmann überzeugt: "Ich bin mir sehr sicher, dass er in Zukunft für die deutsche Nationalmannschaft enorm wichtig werden wird."

An ihm wird Fußball-Deutschland noch viel Spaß haben - ein großartiger Verteidiger. Mats Hummels über Nico Schlotterbeck

Sein Debüt hatte der 24-Jährige unter Hansi Flick gegeben, der ihn 2022 als Senkrechtstarter beim SC Freiburg ein Jahr nach dessen Triumph bei der U21-EM mit zur WM 2022 nach Katar genommen hatte. Dieses Turnier verlief für ihn so desaströs wie für den DFB insgesamt. Schlotterbeck begann in der Startelf, kam nach einem katastrophalen Auftritt gegen Japan (1:2) zu einem Kurzeinsatz gegen Spanien (1:1) und erlebte das vorzeitige Ausscheiden trotz des 4:2-Sieges gegen Costa Rica nur noch von der Bank.

Erneuter Rückschlag gegen Japan für Schlotterbeck

Zwei Jahre später ist aus dem Senkrechtstarter ein gereifter Bundesliga-Profi geworden, der bei dieser EM allerdings erstmal auf der Bank Platz nehmen muss. Schlotterbeck ist als Innenverteidiger die erste Alternative für Jonathan Tah (Bayer Leverkusen) und Antonio Rüdiger (Real Madrid). Hätte man ihm das jedoch nach dem 1:4 im Testspiel gegen Japan im vergangenen September gesagt, hätte er eventuell skeptisch reagiert.

Damals - noch unter Flick - hatte der 24-Jährige einen rabenschwarzen Tag erwischt und war unter anderem am Gegentor zum 0:1 maßgeblich beteiligt - dies allerdings in der ungewohnten Rolle des Linksverteidigers.

Stark steigende Formkurve Richtung EM-Turnier

Immerhin ist er erst kurz vor der EM wieder auf den DFB-Zug aufgesprungen, aus dem er nach der neuerlichen Schlappe gegen Japan vorerst aussteigen musste. Die Rückkehr hat sich Nico Schlotterbeck mit einer Richtung EM stark steigenden Formkurve beim BVB verdient.

Nico ist ein Spieler, der für die deutsche Nationalmannschaft wichtig wird und ist. Bundestrainer Julian Nagelsmann

Schlotterbeck verpasste in dieser Saison beim BVB nur zwei Spiele und stand nahezu immer in der Startelf. Er agiert mittlerweile auch auf höchstem Niveau zuverlässig stark, wovon sich jeder zuletzt im Champions-League-Finale gegen Real Madrid überzeugen konnte. Für den Titel reichte es nicht, aber das lag genauso wenig an Schlotterbeck wie an seinem Nebenmann Mats Hummels.

Teamkollege Hummels lobt Schlotterbeck

Der Weltmeister von 2014 schaffte trotz einer sehr starken Saison nicht den erhofften Sprung zur EM. Dass Hummels seinem Teamkollegen trotzdem beide Daumen drückt, war schon vor seiner Nicht-Nominierung klar: "Wenn er am Ende mit darf, freut mich das fast genauso sehr wie wenn ich selber mit darf", hatte Hummels vor dem Champions-League-Rückspiel gegen Paris Saint-Germain gesagt. Schlotterbeck sei ein "großartiger Verteidiger, ein richtig guter Typ und auch schon ein Anführer", der die "richtige Einstellung" hat, so Hummels.

Sollte der 24-Jährige während der EM so verteidigen wie zuletzt nach seiner Hereinnahme beim 2:1-Testspielsieg gegen Griechenland, als er in der Schlussphase einen Konter der Griechen alleine stoppte, sollten seinen bisherigen zwölf Länderspielen weitere folgen.

Nach dem verpassten Coup gegen Madrid scheint Schlotterbeck nicht wie selbst befürchtet in ein "kleines Loch" gefallen zu sein, sondern hat er sich den nötigen Zuspruch seiner Familie geholt und ist jetzt bereit, eine entgangene Party nachzuholen: "Dann hoffe ich, dass wir bei der Europameisterschaft so Erfolg haben, dass ich wenigstens was im Sommer zu feiern habe."