"Immer am Limit" - Fabian Klos verabschiedet sich WDR 24.05.2024 03:54 Min. Verfügbar bis 24.05.2025 WDR

Als Fabian Klos um seine Arminia-Zukunft spielte - das Karriere-Interview

Stand: 24.05.2024, 12:27 Uhr

Das Westfalenpokalfinale gegen Regionalligist SC Verl (Samstag, 16.45 Uhr, Livestream auf sportschau.de) ist Fabian Klos' letztes Spiel für Bielefeld. Die Arminia-Legende spricht im emotionalen WDR-Interview über Jugendsünden, einen folgenschweren Waldlauf und ein unerzähltes Detail.

WDR.de: Nach 13 Jahren verlassen Sie Arminia Bielefeld als Rekordspieler und Rekordtorschütze. Welche Bedeutung hat da noch am Ende einer bewegenden Karriere die Partie gegen Verl am Finaltag der Amateure?

Klos: Es ist ein Pokalfinale! Und alleine die Tatsache, dass wir zu Hause spielen, sollte Ansporn genug sein, nicht eine gegnerische Mannschaft am Ende des Spiels einen Pokal in die Höhe stemmen zu lassen. Als allerletzten Moment als Arminia-Spieler den Westfalenpokal in der Hand - das wäre schon ein vernünftiger Ausklang.

Sie können Arminias Zukunft noch mitgestalten, nicht nur durch den Klassenerhalt in der 3. Liga, sondern auch durch Mehreinnahmen im DFB-Pokal. Spielt das eine Rolle?

Klos: Ich bin ja kein Finanzgeschäftsführer. Ich bin mir schon darüber im Klaren, dass es für den Verein um sehr viel Geld geht. Ich werde es aber machen wie in jedem anderen Spiel in meiner Karriere: Wenn ich auf dem Platz stehe, dann will ich auch gewinnen, egal um was es geht. Und wenn wir um eine Bratwurst spielen würden, dann würde ich auch gewinnen wollen. Ich kann zu Hause nicht verlieren.

Bielefeld hat in Ihrem letzten Liga-Heimspiel gegen den Halleschen FC den Klassenerhalt gesichert, hauchdünn mit einem 0:0. Halle hatte kurz vor Schluss noch eine Riesenchance, der Ball klatschte an den Pfosten. Haben Sie dem Pfosten schon gedankt?

Klos: Ich habe dem lieben Gott gedankt, dass er den Ball diesmal an den Pfosten hat gehen lassen. Eine sehr gute Freundin von mir hat etwas sehr Schönes gesagt: Vielleicht war es meine Mama, die von oben gepustet hat. Das hat mich sehr berührt. Vielleicht war es so, vielleicht sollte es so sein. Ich musste in den 13 Jahren auch viele Tiefschläge einstecken, sowohl sportlich als auch privat. Es waren nicht immer die leichtesten Zeiten. Vielleicht war es dann doch Karma und ich habe es mir auf gewisse Art auch verdient, dass der Ball nicht reingegangen ist.

Die Fans haben Sie gegen Halle mit einer riesigen Choreografie gefeiert, nach dem Spiel emotional verabschiedet. Haben Sie diesen Tag schon verarbeitet?

Klos: Gar nicht. Ich habe ein paar Bilder und Videos von dem Tag gesehen und das ist auch jetzt schon etwas Besonderes. Aber ich glaube, der Moment, in dem ich mich dann hinsetze und das alles mal in Ruhe verarbeiten kann, der wird irgendwann noch kommen.

Haben Sie Bammel davor, was da so hochkommt?

Klos: Angst nein, Respekt ja. Denn es ist auf der einen Seite dieser eine Tag, den es zu verarbeiten gilt, aber auch die 13 Jahre insgesamt, die ich hier erlebt habe. Da wird noch einiges an Emotionen auf mich zukommen und ich bin froh, dass ich zu Hause jemanden habe, mit dem ich das teilen kann (seine Frau Nadine, Anm. d. Red.). Ich habe auch enge Freunde, die mich unterstützen werden.

Fabian Klos: Die Arminia-Legende beendet ihre Karriere Sport im Westen 11.05.2024 06:22 Min. Verfügbar bis 11.05.2025 WDR Von Andreas Kramer

Sie sind zum Ehrenspielführer von Arminia ernannt worden. Lässt sich überhaupt schon in Worte kleiden, welche Bedeutung das hat?

Klos: Man kann es daran bemessen, dass es eine bisher einmalige Auszeichnung ist. Und den Verein gibt es schon sehr, sehr lange, hier haben schon sehr viele Spieler gespielt. Ich bin jetzt der erste Spieler, dem diese Ehre zukommt, das bedeutet mir unfassbar viel. Es wurden ja auch irgendwelche Statuen oder Namensgebungen für Tribünen oder Plätze hier in der Stadt vorgeschlagen. Ich habe immer wieder betont: Das brauche ich so in der Form überhaupt nicht. Ich finde, der Verein hat echt eine überragende Lösung gefunden, auch die Rufe der Fans zu erhören.

Ein Zitat Ihres Vaters aus der Neuen Westfälischen: "Bis zur zehnten Klasse ist alles gut gelaufen. Dann kamen Mädchen, das Rauchen und der Alkohol dazu. Da lag der Fokus auf Partys und nicht auf einer Profikarriere." Haben Sie gute Zeiten durchgemacht?

Klos: Ja, es war witzig. Er hat absolut Recht mit dem, was er sagt. Ich weiß, dass er das auch nicht als Vorwurf meint. Ich bin ein Junge vom Dorf, da ist es eher nicht üblich und auch nicht eingeplant, dass da einer mal eine Bundesligakarriere startet. Das war auch bei mir nicht absehbar. Ich habe meine Erfahrungen gemacht, auch schon in jungen Jahren. Manche waren gut, manche nicht so. Aber alles, was ich gemacht habe, hat dazu geführt, dass ich jetzt hier heute sitze. Von daher bin ich mit mir sehr zufrieden und kann jeden Morgen mit einem ruhigen Gewissen aufstehen.

Ihr Einstieg in den Profifußball war dann auch schwierig, hat uns Lorenz-Günther Köstner erzählt. Er berichtete von ihrem ersten Waldlauf nach dem Wechsel von Gifhorn zur Reserve vom VfL Wolfsburg. Sie mussten früh abreißen lassen, lagen völlig k.o. auf einer Bank - und Ihr damaliger Trainer Köstner ist bei Ihnen geblieben.

Klos: Spätestens da durfte ich das erste Mal schmerzhaft erfahren, dass ich keine professionelle Fußball-Ausbildung im Jugendbereich erhalten habe. Mein Körper war konditionell auf einem deutlich anderen Level, als es der Rest der Mannschaft war. Das war damals eine kleine Runde bei, heute würde ich sagen, mittlerem Tempo.

Aber es war schon zu viel für mich. Da hat Lorenz zu mir gesagt: Das ist jetzt etwas, da musst du durch. Es liegt an dir. Das ist nicht das einzige Mal, dass du an deine Grenze kommst. Gehst du da darüber hinweg und kämpfst sich durch? Dann kannst du das schaffen. Das ist mir im Kopf geblieben.

Auch, dass Sie vor dem Lauftraining besser nicht Spaghetti Carbonara essen?

Klos: Ich hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung, was annähernd professionelle Bedingungen rund um den Fußball betrifft, sei es Ernährung, sei es Getränke. Ich musste lernen, dass man, obwohl man Fußball spielt, auch mal im Kraftraum ein Gewicht anfassen kann. Das sind alles Dinge, die Lorenz mir beigebracht hat, die ich zwischendurch im Laufe der Jahre sicherlich auch immer wieder habe schleifen lassen. Aber Lorenz hat damals den Grundstein für das Ganze gelegt.

Er hat Ihnen auch geraten, 2011 das Angebot von Arminia Bielefeld anzunehmen, damals Drittligist. Es wurden 13 emotionale Jahre mit Höhen und Tiefen. Eine prägnante Szene: 2021, letzter Bundesliga-Spieltag, Sie treffen per Elfmeter gegen Stuttgart. Die Arminia feiert den Klassenerhalt - und Sie weinen hemmungslos. Was ist Ihnen damals durch den Kopf gegangen?

Klos: Ich kann ja die Geschichte mal so erzählen, wie sie vielleicht noch nie erzählt wurde. Der erste Punkt ist, dass ich wusste, dass wir in dem Moment etwas sehr, sehr Schwieriges geschafft haben, nämlich den Klassenerhalt in der Bundesliga mit sehr begrenzten Mitteln.

Aber zu der Geschichte gehört auch, dass ich an dem Elfmeterpunkt stand, weil ich mein eigenes Schicksal selbst in die Hand nehmen wollte. Denn was zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich nur eine Handvoll Leute wussten: Ein paar Wochen zuvor hatten mir der damalige Sportgeschäftsführer und der Trainer mitgeteilt, dass ich eine Verlängerung meines Vertrages nur angeboten bekomme, wenn wir den Klassenerhalt schaffen.

Ein immenser Druck.

Klos: Es war zu dem Zeitpunkt definitiv so, dass ich diesen Verein nicht verlassen wollte. Ich wollte mit dem Verein in der Bundesliga bleiben, hier grundsätzlich noch weiter Fußball spielen. Ich habe also um meine eigene weitere Arminia-Zukunft gespielt, deswegen war der Druck für mich persönlich sehr hoch.

Die Fußballrente ist jetzt ganz nah. Was werden Sie vermissen und was nicht?

Fabian Klos: Heimsiege zu feiern, in einem ausverkauften Stadion zu spielen, auswärts in ein anderes Stadion einzufahren und auch von den gegnerischen Fans beschimpft zu werden, morgens in die Kabine zu kommen und ein bisschen dummes Zeug zu erzählen mit den Jungs - da gibt es genug, was ich vermissen werde. Aber die extreme Anspannung, die ich mir selber immer gemacht habe, weil ich einfach dieser Typ war, der Verantwortung übernehmen wollte und der auch wusste, wie sein Standing hier in Verein und Stadt ist - da bin ich froh, dass ich das ablegen kann.

Sie werden jetzt in die Nähe von Köln ziehen, nach Hürth. Was sind Ihre Pläne?

Fabian Klos: Ich kann im Moment nichts Konkretes sagen, aber auch gar nichts ausschließen. Ich werde die Möglichkeit nutzen, in viele Bereiche reinzugucken. Ich werde mit Tommi Schmitt und Chris Kramer während der EM einen Podcast aufnehmen. Ich werde mir, wenn möglich, einen internen Blick verschaffen, wie es in anderen Vereinen ist.

Viele Leute haben gesagt, ich könnte mal ein guter Trainer sein. Andere Leute haben gesagt, ich kann ganz gut bei Fußballspielen meinen Senf dazugeben. Die Familie wird immer an oberster Stelle jetzt erst mal stehen. Ich freue mich darauf, dass ich meine Frau unterstützen kann. Der Zeitpunkt ist wirklich super, dass ich sie mit beiden Kindern nicht alleine lassen muss. Und ich werde auch noch weiter Fußball kicken, in welcher Form auch immer. Ich bin wirklich offen für alles und freue mich auf alles, was da kommt.

Das Interview führte Andreas Kramer.