Zahlreiche englische Journalisten waren beim 5:0-Erfolg der Werkself gegen Werder Bremen am Sonntag in der BayArena, um von einem "magischen Nachmittag in Leverkusen" (The Times) zu berichten und davon, wie das Team von Trainer Xabi Alonso "den Job mit Stil erledigt" (BBC) habe, um zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte deutscher Meister zu werden.
Auch auf der Insel freue man sich, dass mal ein anderer Verein als der FC Bayern München Meister wird, sagt Hendrik Buchheister. "Eine Underdog-Story kommt hier immer gut an", so der in England lebende Sportjournalist. "Auch wenn Leverkusen natürlich kein klassischer Underdog ist - Stichwort: Werksklub." Mit externen Geldgebern und Investoren gebe es in England aber ohnehin keine Berührungsängste.
Am Mittwoch trat Leverkusen die erste Auslandsreise als frisch gebackener Deutscher Meister an und wurde bereits vor dem Abflug nach London, wo der Klub am Donnerstagabend (21 Uhr) im Viertelfinal-Rückspiel in der Europa League auf West Ham United trifft, vom Flughafen Köln-Bonn mit meisterlichen Glückwünschen auf den Anzeigetafeln begrüßt.
Große Bedeutung für Jahreswertung
Spätestens nach dem ungefährdeten 2:0-Erfolg mit einer dominanten Leistung im Hinspiel ist auch auf der Insel bekannt, wie stark diese Leverkusener Mannschaft auch im internationalen Vergleich ist. Auch weil die in England schon mal abwertend als "Farmers League" bezeichnete Bundesliga sich im Rennen um einen fünften Champions-League-Startplatz derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der englischen Premier League liefert. Dabei haben die direkten Duelle von Bayern München gegen Arsenal und Leverkusen gegen West Ham besonders Gewicht.
Fokus auf die Europa League
Längst hat die Werkself ihren Fokus ganz auf die Europa League gerichtet, zumal die Entscheidung in der Liga gefallen ist und das DFB-Pokalfinale erst nach dem Saisonende stattfindet. Gegen Bremen am Sonntag setzte Alonso mit Alejandro Grimalo, Jeremie Frimpong und Florian Wirtz, der nach seiner Einwechslung zur Pause noch mit einem Hattrick brillierte, seine drei besten Scorer zunächst auf die Ersatzbank, um seine unumstrittenen Stammspieler für das schwere Spiel im London zu schonen.
"Wir hatten immer drei Ziele im Blick", sagt Leverkusens Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes. "Wir haben ein Ziel erreicht, zwei aber noch nicht. Deshalb machen wir weiter." Die Mannschaft sei einen Tag nach den Feierlichkeiten rund um den Titelgewinn wieder voll fokussiert auf das Rückspiel gegen West Ham und die Chance, das Halbfinale der Europa League zu erreichen.
Nächste Bestmarke in Reichweite
In London könnte Bayer zudem einen weiteren Rekord aufstellen. Bleibt die Werkself auch im 44. Pflichtspiel der Saison ungeschlagen, wäre das eine neue Bestmarke in Europas Top-Ligen. Mit dem Sieg gegen Bremen hatte der Bundesligist am Wochenende mit dem bisherigen Rekordhalter Juventus Turin gleichgezogen, der von Mai 2011 bis 2012 wettbewerbsübergreifend in 43 Partien unbesiegt blieb.
"Wir erwarten ein schweres Spiel", sagte Alonso am Mittwoch und verwies auf das Duell der "Hammers" gegen den SC Freiburg im Achtelfinale, als die Londoner ein 0:1 in Hinspiel mit einem fulminanten 5:0-Erfolg im Rückspiel übertrumpften. "West Ham weiß, wie man ein Spiel dreht." Bayer wolle sein eigenes Spiel spielen und sei "nicht da, um nur zu verteidigen".
Alonso in England angesehen
Der Spanier genießt nicht zuletzt aufgrund seiner erfolgreichen Zeit als Spieler beim FC Liverpool ein hohes Ansehen in England und wurde dort eigentlich bald zurückerwartet. "Man war sich hier ziemlich sicher, dass er zu Liverpool geht, scheint aber langsam zu verstehen, was ihn daran reizt, noch bei Bayer zu bleiben", schildert Buchheister.
Für Alonsos Gegenüber, West Hams Teammanager David Moyes, gehört Leverkusen zu den "besten Mannschaften in Europa". Es sei "eine große Leistung, die Liga zu gewinnen, also Glückwunsch an sie", erklärte der 60-Jährige im Vorfeld der Partie.
Xhaka erwartet "spezielle Europapokal-Nacht"
Leverkusens Mittelfeldstratege Granit Xhaka, vergangene Saison noch in London beim FC Arsenal aktiv, sieht "alle Zutaten für eine spezielle Europapokal-Nacht vorhanden". Die gewonnene Meisterschaft sei innerhalb der Mannschaft kein Thema mehr. "Wir haben alle genug über letzten Sonntag gesprochen, wir sind verdienter Meister geworden, aber es gab nicht allzu viel zu feiern, denn wir wollen noch was erreichen", sagte der Schweizer. "Wir sind fit und wollen ein gutes Spiel zeigen."