Haken links, Haken rechts, eine letzte schnelle Körpertäuschung - und weg ist er. So oder so ähnlich müssen die Verteidiger der Fußball-Bundesliga ihre Zweikämpfe mit Bayer Leverkusens Florian Wirtz wahrnehmen. Und davon gab es schon einige: Der 20-Jährige absolvierte bisher alle 22 Liga-Partien der "Werkself" und führte von den Leverkusenern mit Abstand die meisten Zweikämpfe (501), weit dahinter rangiert der angriffslustige Rechtsverteidiger Jeremie Frimpong (338).
Von seinen häufig gewagten Dribblings gewann Wirtz über 60 Prozent. Nimmt man alle anderen Zweikämpfe hinzu, auch die defensiven, beläuft sich seine Gesamt-Zweikampfquote immer noch auf 44 Prozent - was zeigt, wie wichtig Wirtz' Offensivqualitäten, aber auch sein Engagement in der Arbeit gegen den Ball für Trainer Xabi Alonso sind. Der Spanier hat Wirtz auf ein neues Level gehoben.
Wirtz viertjüngster Spieler mit 100 Bundesliga-Partien
Der 20-Jährige ist längst nicht mehr nur ein begnadeter Solist, sondern mannschaftsdienlicher Dirigent. Trainer Alonso adelte ihn schon mal in der "Süddeutschen Zeitung": "Es gibt gute Spieler und es gibt Spieler, die gut aussehen auf dem Platz. Der Spieler, der gut aussieht, macht Dinge, die schön sind, aber nicht unbedingt effizient. Warum ist Messi so gut? (...) Messi sagt: 'Du bist in einer besseren Position? Hier, da hast du den Ball!' Es geht nicht immer darum, die brillanteste Aktion zu machen, sondern die beste und klügste. Florian kann das."
Und zwar natürlich nicht erst seit gestern, seit fast vier Jahren ist er im traditionell hochbegabten Leverkusen-Ensemble eine feste Größe. Nicht umsonst wird er am Freitag (20.30 Uhr) gegen den Tabellenvorletzten Mainz 05 sein Jubiläum feiern als viertjüngster Spieler, der 100 Bundesliga-Einsätze vorweisen kann. Ohne seinen Kreuzbandriss im März 2022 wäre er sicherlich der jüngste gewesen.
Spieler | Alter beim 100. Einsatz |
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Kai Havertz (Bayer Leverkusen) | 20 Jahre, 186 Tage |
Timo Werner (RB Leipzig) | 20 Jahre, 203 Tage |
Julian Draxler (FC Schalke 04) | 20 Jahre, 225 Tage |
ausstehend: Florian Wirtz (Bayer Leverkusen) | 20 Jahre, 296 Tage |
Jamal Musiala (Bayern München) | 20 Jahre, 297 Tage |
Wirtz schultert Druck in Leverkusen nicht (mehr) alleine
Dass Wirtz in dieser Saison unter Alonso nochmal einen Schritt gemacht hat, hängt auch mit seinen Teamkollegen zusammen. Lastete in den letzten Jahren häufig ein Großteil des Erwartungsdrucks auf den Schultern des Hochbegabten, so ist Wirtz nun eingebunden in eine perfekt abgestimmte Mannschaft. Er bekommt neben Spielern wie Zauberfuß Alejandro Grimaldo (acht Tore, neun Vorlagen) oder dem zentral-defensiven Anführer Granit Xhaka nicht mehr die volle Breitseite der Aufmerksamkeit ab.
Was aber nicht heißt, dass die Solo-Einlagen des "Zehners" keine Aufmerksamkeit mehr erregen. Ganz im Gegenteil, die hohe Qualität seiner Mitspieler gibt ihm den Raum, seine großen Stärken auch ausspielen zu können. Exemplarisch: Im Oktober 2023 tanzte Wirtz eigenhändig die Defensive des SC Freiburg aus und traf - es wurde später in der Sportschau zum Tor des Jahres gewählt.
Nur Boniface schoss öfter: Wirtz im Alu-Pech
Dabei zeichnete sich der Spielmacher bislang vor allem als Assistgeber aus, neun Tore legte er seinen Kollegen auf. Es hätten mehr als fünf eigene Treffer sein können, schließlich schloss nur der immer noch verletzte Mittelstürmer Victor Boniface (75 Torschüsse) häufiger ab als Wirtz (46).
Doch letzterer hat in dieser Saison ein wenig Pech mit dem Gebälk. In Heidenheim (2:1) scheiterte er zum fünften Mal am Aluminium. Seinen Scorer-Bestwert aus der Saison 2021/22, in der er in 24 Einsätzen sieben Tore erzielte und zehn auflegte, könnte Wirtz in den kommenden Wochen aber noch übertreffen.
Leverkusen kann gegen Mainz Bayern-Rekord pulverisieren
Die nächste Chance dazu bekommt Wirtz, wenn er mit Leverkusen am Freitag den 1. FSV Mainz 05 empfängt. Für die "Werkself" könnte es eine historische Partie werden: Leverkusen stellte mit dem Sieg in Heidenheim bereits die Bestmarke der Bayern unter Hansi Flick von 32 ungeschlagenen Pflichtspielen in Serie (Dezember 2019 bis September 2020) ein, jetzt winkt der alleinige Rekord.
Allerdings warnte Alonso, Mainz werde nach dem ersten Sieg unter dem neuen Trainer Bo Henriksen weiter Gas geben: "Er war letztes Jahr in Zürich. Seine Mannschaften haben Wille und Energie. Gegen Augsburg haben sie mit hoher Intensität gespielt, das erwarten wir wieder so."