DFB-Pokal: SGS Essen verweigert Rolle des Außenseiters

Stand: 28.03.2024, 22:49 Uhr

Die SGS Essen ist der letzte sich selbst tragende Klub in der Frauen-Bundesliga. Am Samstag steht das DFB-Pokal-Halbfinale bei Seriensieger VfL Wolfsburg an, der einen Großkonzern im Rücken hat.

Ob nun "letzte Mohikanerinnen", biblischer "David" oder "gallisches Dorf" - an Vergleichen mit berühmten Außenseitern mangelt es den Fußballerinnen der SGS Essen nicht. Doch all das ficht den letzten sich selbst tragenden Klub der Bundesliga offensichtlich nicht an. Seit Jahren bietet er der durchweg von Lizenzvereinen unterstützen Konkurrenz nun schon die Stirn. Und erntet dafür Anerkennung.

Auch im Halbfinale um den DFB-Pokal am Samstag (13 Uhr) beim mit Nationalspielerinnen gespickten VfL Wolfsburg ist die Sportgemeinschaft Essen-Schönebeck vermeintlich der klare Underdog. Eine Rolle, in die sich Manager Florian Zeutschler aber nicht drängen lassen will. "Natürlich ist Wolfsburg der Favorit", sagte er vor dem Duell mit dem Titelverteidiger: "Aber wir sind auch nicht der absolute Außenseiter. Alles ist möglich."

SGS hat keinen Großkonzern - und will keinen

Manager Florian Zeutschler (Archivbild). | Bildquelle: Getty Images/Oliver Hardt

In der Tat stehen auch die Essenerinnen nicht zufällig im Halbfinale. "Die Kompaktheit, die uns in dieser Saison ausgezeichnet hat", nennt Zeutschler als Grund für seine Zuversicht, dass Essen "eine Überraschung aus Wolfsburg mitnehmen" kann. Über 65 Minuten habe man das bereits im Ligaspiel im Januar (1:3) gezeigt.

"Es wird eine riesige Herausforderung, aber wir rechnen uns trotzdem Chancen aus. Wir müssen total mutig agieren", fordert Essens Trainer Markus Högner. Essen war schon 2014 und 2020 Pokalfinalist, in der Liga ist Essen seit 20 Jahren erstklassig und steht als Tabellensechster wieder einmal besser als erwartet da.

Davon, dass die Essenerinnen auch strukturell als das sprichwörtlich letztes Einhorn in der deutschen Elite bestehen können, ist man bei der SGS überzeugt. Im Gegensatz zum Pokalgegner aus der Autostadt hat Essen keinen einzelnen Großkonzern im Rücken - und will auch keinen haben. Auch gegen eine Kooperation mit einem Männer-Bundesligisten wehrt man sich an der Hafenstraße bisher erfolgreich.

Zeutschler: "Haben die Infrakstruktur für uns"

Für Zeutschler ist dieser Weg elementar. "Wenn wir nicht daran glauben würden, sollten wir vom Fußballgeschäft Abstand nehmen. Wir haben im Vergleich zu vielen Vereinen vielleicht sogar eine bessere Infrastruktur, weil wir sie für uns haben." Die SGS zeichne sich seit Jahren durch ihre "Nachwuchsförderung, klare Strukturen und das richtige Personal aus". Spielerinnen würden in Essen frühzeitig in die Bundesliga gebracht. Darüber, sagt Zeutschler könne man den vergleichsweise kleinen Etat kompensieren.

"Dass wir uns finanziell selber tragen, ist natürlich eine Challenge, aber dafür ist es nachhaltig." Er glaubt daher, dass sich auch die anderen "Vereine in der Bundesliga zum Ziel setzen werden, in ein selbsttragendes Ökosystem zu wechseln".

SGS-Trainer Markus Högner. | Bildquelle: IMAGO/Fotografie73

Trainer Högner, mit Unterbrechungen seit 2010 beim Verein, unterstützt den Weg der SGS. "Durch unser aktuelles Alleinstellungsmerkmal in der Liga bekommen wir ungemein viel positive Aufmerksamkeit", so der Coach. "Es wird überall anerkannt, dass wir es mit unseren Mitteln schaffen, auf diesem Niveau mitzuhalten und uns sogar noch zu verbessern. Dieses große Interesse hilft uns dann natürlich auch bei der Weiterentwicklung des Klubs."

Klub "familiär und professionell zugleich"

Auch wenn die SGS immer wieder Toptalente wie im vergangenen Jahr die jetzige Wolfsburger Nationalstürmerin Vivien Endemann abgeben muss, schafft sie es, dies durch Talente aus der Nachwuchsabteilung mit Sportinternat wettzumachen. Högner und sein Assistent Robert Augustin gelten zudem in der Branche als ungewöhnliche "Bessermacher".

Dass sich junge Spielerinnen so entwickeln können, das sei "bei keinem anderen Verein so möglich", sagt SGS-Kapitänin Jaqueline Meißner. Mit einem Altersschnitt von 23 Jahren ist ihr Team das jüngste in der Liga.

Lena Ostermeier. | Bildquelle: IMAGO/eu-images

Meißner ist wie Lena Ostermeier eine der Routiniers beim Pokalhalbfinalisten - und nicht nur im Stadion an der Hafenstraße erfolgreich: Die 27-jährige Ostermeier hat im vergangenen Sommer ihr Chemie-Studium an der TU Dortmund in Chemie abgeschlossen und trägt seitdem einen Doktortitel. "Es ist familiär und professionell zugleich", sagt sie über den Bundesligisten. "Außerdem bekommt man bei der SGS die Freiheiten, um sich ein Standbein neben dem Fußball aufzubauen."

Bayern gegen Frankfurt im zweiten Halbfinale

Die VfL-Frauen haben zuletzt neunmal in Serie den Cup gewonnen, müssen aber noch das herbe 0:4 gegen den FC Bayern vom vergangenen Wochenende wegstecken. Sollte Essen am Samstag die Überraschung gelingen, wartet im Finale am 9. Mai Meister Bayern oder Frankfurt - beide Spitzenklubs spielen am Sonntag (15.45 Uhr/ARD).