5. August 1772 - Polen-Litauen wird im Petersburger Vertrag erstmals geteilt

Stand: 27.07.2022, 12:44 Uhr

Abwerten, korrumpieren, einmarschieren - bei der ersten Teilung des Doppelstaates Polen-Litauen verfolgen die Nachbarländer eine wohlüberlegte Strategie. Eines der Länder ist dabei besonders aktiv.

"Wir werden den armen Irokesen die europäische Zivilisation bringen." In seinen Briefen an Russland und Österreich baut Friedrich II. das Propagandabild einer dringend nötigen Mission gegen Polen-Litauen auf - durch einen herabsetzenden Vergleich mit den sogenannten Indianern Nordamerikas. Für den preußischen König sind die Polen "ein unverständig Volk", das "tief in Barbarei und Dummheit liegt".

Zugleich wirbt er in seiner diplomatischen Korrespondenz mit Petersburg und Wien für eine neue Strategie der Kriegsvermeidung. Die Großmächte sollen ihre Konflikte untereinander nicht länger auf dem Schlachtfeld regeln, sondern auf dem Rücken schwächerer Länder.

Einigung zur ersten Teilung Polen-Litauens (am 05.08.1772) WDR ZeitZeichen 05.08.2022 14:43 Min. Verfügbar bis 05.08.2099 WDR 5

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Doppelstaat mit gewähltem König

Von der Fläche her ist der 1569 gegründete Unionsstaat Polen-Litauen im 18. Jahrhundert einer der größten Staaten Mitteleuropas. Doch seine Armee ist klein. Das nützen die Nachbarn Russland und Preußen aus und mischen sich in die polnisch-litauische Innenpolitik ein - vor allem bei der Besetzung hoher Ämter.

Ein weiteres Problem der Adelsrepublik mit gewähltem König sind die geteilten Kompetenzen: Ohne das polnisch-litauische Parlament kann der König kein Gesetz erlassen. Die Gesetzgebung liegt damit faktisch in den Händen des Adels, der die Mehrheit im Parlament stellt. Zudem gibt es das Einstimmigkeitsprinzip: Gesetze können nicht gegen den Widerstand auch nur eines Abgeordneten durchgesetzt werden.

Preußens imperiale Initiative triumphiert

Die russische Kaiserin Katharina die Große ist mit dem Zustand eigentlich zufrieden. Denn Polen-Litauen, ein leicht manipulierbarer Doppelstaat, fungiert als Puffer zum Westen. Dort aber sitzt Friedrich II., der die Landverbindung von Pommern nach Ostpreußen herstellen will. Sein Ziel ist es darum, das polnische Preußen aus dem Territorium von Polen-Litauen herauszulösen und in Westpreußen umzubenennen.

Am 5. August 1772 wird die imperiale Initiative von Friedrich II. belohnt: Im Petersburger Vertrag teilt er Polen-Litauen mit der russischen Zarin und der österreichischen Kaiserin Maria Theresia auf. Die Russen bekommen östliche Teile Polen-Litauens, die Österreicher südliche. Großer Gewinner ist allerdings Preußen, das durch seine Landgewinne endgültig zur Großmacht ersten Ranges wird.

Weitere Teilungen folgen

Für die Polen und Litauer ist die Zeit nach der ersten Teilung eine Tortur. Als sie sich - inspiriert von der Französischen Revolution - die bisher modernste Verfassung Europas geben, werden sie 1793 von den drei Großmächten mit der zweiten Teilung abgestraft. Der folgende Aufstand der Polen und Litauer dient ihnen dann als Rechtfertigung für die dritte Teilung 1795. Vom Staatsgebiet Polen-Litauens ist danach nichts mehr übrig.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg erhält Polen seine Souveränität zurück - wenn auch nicht lange. Im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes wird Polen 1939 zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt.

Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vormweg
Redaktion: David Rother

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. August 2022 an die erste Teilung Polens. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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