12. Februar 1963 - Eisprozession auf dem zugefrorenen Bodensee

Ein seltenes Wetterphänomen: Im Winter 1962/63 friert der gesamte Bodensee zu. Diese "Seegfrörne" bietet die Voraussetzung für eine jahrhundertalte Tradition: eine Prozession über das Eis.

Im Herbst 1962 geht der Deutsche Wetterdienst von einem milden Winter aus. Dabei stützt er sich auf die Statistik: Auf kühle und trockene Sommer folgen meist milde Winter. Doch diesmal ist es anders. Der Winter 1962/63 hat eine Mittel-Temperatur von minus 5,5 Grad - und ist damit der kälteste Winter seit Beginn der Messungen im Jahr 1881.

Über Monate ist es bis zu minus 20 Grad kalt. Das sorgt deutschlandweit für jede Menge Eis - von der Nord- und Ostsee bis in den Süden. Dort frieren zuerst die beiden schmalen Arme des Bodensees zu: der Untersee und der Überlinger See. Bald darauf schließt sich die Eisdecke auf dem Hauptstück des Bodensees: dem Obersee. Das ist eine riesige Fläche von insgesamt 536 Quadratkilometern.

Eine Büste des Apostel Johannes

Noch bevor eine ausreichende Tragfähigkeit erreicht ist, wagen sich die Ersten auf Eis. Einige von ihnen brechen ein und sterben. Doch die See-Anwohner aus Deutschland, der Schweiz und Österreich lassen sich dadurch nicht abhalten. Zehntausende begeben sich schließlich auf die glatte Fläche. Sie fahren mit Schlittschuhen und Fahrrädern übers Eis. Manche sind auch mit Moped, Auto oder Pferd unterwegs. Sogar Flugzeuge landen auf dem See.

Als die zuständigen Behörden das Eis als sicher einstufen, beschließen die Gemeinden im schweizerischen Münsterlingen und im deutschen Hagnau, eine alte Tradition aufzugreifen: Seit der "Seegfrörne" von 1573 wechselt eine Büste des Apostels Johannes die Ufer, wenn der Bodensee zufriert. Ursprünglich stammt die Büste des schwarz gelockten Mannes wohl aus der ehemaligen Klosterkirche Münsterlingen und gelangt damals während der Reformationswirren nach Hagnau.

Bodensee friert zum bisher letzten Mal zu (Prozession,12.2.1963) WDR ZeitZeichen 12.02.2023 14:26 Min. Verfügbar bis 12.02.2033 WDR 5

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Warten auf die nächste Eisprozession

Wichtig dabei ist: Die Figur wird nicht gebracht. "Die muss geholt werden mit Pfarrer, mit Kreuz und Fahne und Musikkapelle", erinnert sich Anni Arnolds, die 1963 selbst auf dem zugefrorenen Bodensee unterwegs ist. Mehr als 3.000 Menschen schließen sich am 12. Februar der Prozession an, die von Münsterlingen nach Hagnau zieht.

Die Statue des Heiligen Johannes steht nun seit 1963 in der Kirche in Münsterlingen - und wird dort wohl vorerst stehen bleiben. "Und wenn der 100 Jahre in der Schweiz steht, der wird nur über eine Seeprozession zurückgeholt", sagt Anni Arnolds. Der Klimawandel spricht allerdings gegen weitere Eisprozessionen auf dem Bodensee. Doch ganz auszuschließen sei das nicht, sagt der Seen-Physiker Thomas Wolff. Auch bei einem insgesamt wärmeren Klima seien solche "einzelne Abkühlungsereignisse" durchaus noch möglich.

Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Tiemann
Redaktion: David Rother

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 12. Februar 2023 an die Eisprozession auf dem zugefrorenen Bodensee. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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