Katniss Hsiao, 28, lebt in Taipeh, sie hat Geschichte studiert, schreibt auch Drehbücher, ihr erstes Skript wurde beim renommierten Golden Harvest Filmfestival als bestes Drehbuch ausgezeichnet. Auch ihr Debütroman “Das Parfum des Todes“ war zumindest preiswürdig – mit Shortlist-Nominierungen beim Taiwan Literature Award und dem Taipei Book Fair Award. Also: Eine junge Autorin, die vom Start weg dicke von sich reden machte.
"Das Parfum des Todes" ist eine Wucht – und zwar im Wortsinn: Ein enorm energetischer, heftiger, kraftvoller Roman, der mit voller Power an die Grenzen geht. Ein existentialistischer Noir, den man auch als Erkundung verstehen kann: Wie viele und welche Schattierungen existieren eigentlich im Dunkel des Seins? Unfassbare Abgründe tun sich da auf, aber klar, da wo das Dunkel schattiert, gibt es immer auch Licht, zumindest ein Schimmern. Reicht das, um zu überleben – und Mensch zu sein?
Im Zentrum der Geschichte steht Yang Ning. Sie ist Ende 20, hat Medienwissenschaften studiert, sich das Studium als Tatort-Reinigerin finanziert. Das macht sie auch jetzt noch, zu Beginn der Handlung. Allerdings ist sie eine ganz andere, als sie es früher einmal war – eine Antiheldin, ein Mensch, der alle Hoffnung musste fahren lassen. Was ist passiert? Yang Ning hatte den Job deshalb angekommen, weil sie ihren Bruder aus der kaputten Familie retten und zu sich in die Hauptstadt holen wollte. Kurz, bevor das gelingen konnte, kam die Schreckensnachricht: Der kleine Bruder ist gestorben. Lange ist nicht klar, wie und warum; irgendwann lässt die Erzählerin Infos durchsickern: Das wirkt, als hätte Yang Han Suizid begangen. Aber etwas später eröffnet die Entwicklung der Dinge unerwartet noch eine ganz andere Möglichkeit: Die, dass ein Serienmörder dahinter stecken könnte. Einer, der auch Yang Ning auf den Spuren ist, jetzt noch, Jahre später. Sie wird zur Jägerin – und zur Gejagten, ihr Geruchssinn und der Hauch eines Parfums sind dabei entscheidende Faktoren …
"Das Parfum des Todes" ist voller Referenzen und Anspielungen, die Genre-Klassiker "Das Parfum" und "Das Schweigen der Lämmer" sind die offensichtlichsten. Katniss Hsiao würdigt diese Klassiker und schafft doch etwas ganz Eigenes, indem sie die klassischen Genrestrukturen gleichzeitig bedient und dekonstruiert. Es gibt keine Serienmörder-Ästhetik, es gibt nur das Grauen. Der Horror, der hier geradezu sinnlich inszeniert wird, ist der, den die Dämonen der Kindheit und der Familie bewirken. Ihn zu überwinden, ist der einzig mögliche Weg zur Freiheit: der des Erwachsenseins.
Über "Das Parfüm des Todes" und die renommierte Krimireihe des Suhrkamp-Verlags, spricht WDR 5 Bücher mit dem Herausgeber Thomas Wörtche.
Eine Rezension von Ulrich Noller
Literaturangaben:
Katniss Hsiao: Das Parfüm des Todes
Aus dem taiwanesischen
Chinesisch von Karin Betz
Herausgegeben von Thomas Wörtche
Suhrkamp 2024, 496 Seiten, 20 Euro