Darum geht's
München, 5. September 1972. Der elfte Tag der Olympischen Spiele. Bislang ein fröhlich-buntes Sportfest, bei dem die Bundesrepublik aus dem Schatten der Nazi-Zeit treten will.
Ein palästinensisches Terrorkommando zerstört den Traum: Es nimmt die israelische Mannschaft im Olympischen Dorf in Geiselhaft, Verhandlungsversuche scheitern. Zwei der Geiseln werden in ihren Zimmern ermordet, neun am Flughafen umgebracht.
Darum geht's wirklich
Der Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum erzählt die Ereignisse aus der Perspektive der ABC-Sportredaktion. Er widmet seine Aufmerksamkeit den Journalisten im Hintergrund, die entscheiden müssen, welche Live-Bilder sie dem Publikum zumuten.
Die Olympischen Spiele 1972 waren für die großen europäischen und nordamerikanischen Fernsehsender das erste live ausgestrahlte Event in Farbe.
Die spielen mit
John Magaro spielt den Fernsehproduzenten Geoff Mason, Peter Sarsgaard ist in der Rolle von ABC-Chef Roone Arledge zu sehen, Ben Chaplin verkörpert den jüdischen Produzenten Marvin Bader, Zinedine Soualem einen Techniker, Leonie Benesch ("Das weiße Band", "Das Lehrerzimmer") ist in der Rolle einer Dolmetscherin zu sehen, die während der zermürbenden Stunden über sich hinauswächst.
Das sagt Filmkritikerin Andrea Burtz
Regisseur Tim Fehlbaum gelingt es, 21 zermürbende Stunden packend in 95 Kinominuten zu erzählen. Dabei dient der ABC-Regieraum in dem Kammerspiel fast durchgängig als Schauplatz.
Kamerabilder ermöglichen den Blick nach draußen in eine andere Welt: zur Geiselnahme des israelischen Teams durch palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf.
Aus der Perspektive der amerikanischen Sportjournalisten werden die Ereignisse plastisch und verständlich erzählt, immer wieder ringen Redakteure um Worte und Formulierungen für das Grauen vor ihrer Tür. Dabei verbindet Fehlbaum Originalbilder aus dem Jahr 1972 unmerklich mit neuen Spielfilmbildern.
Er verzichtet fast komplett darauf, den Schrecken der Geiseln zu zeigen. Die bloße Ahnung davon ist ohnehin beklemmender. Mehrfach wirft das Drama die Frage auf, ob Live-Kameras draufhalten dürfen, wenn nicht klar ist, welche Bilder Zuschauern dabei zugemutet werden.
Ebenfalls offen: Bekommen vielleicht auch die Geiselnehmer durch die Fernsehbilder wichtige Informationen? Wird dann nicht auch derjenige, der über die Bilder entscheidet, zum Akteur des Geschehens?
Auch dank all dieser Fragen und fein charakterisierter Figuren ist Fehlbaum ein spannender, historischer Thriller gelungen, der moralische Fragen aufwirft und den Beruf des Journalisten hinterfragt.
In der Kategorie "Bestes Drama" bei den Golden Globes nominiert, dürfte "September 5", englisch gedreht, von Sean Penn produziert, auch bei den Oscars Chancen haben.
Die Bewertung auf einen Blick
Vier von fünf Sternen
Thriller, Deutschland 2024
Regie: Tim Fehlbaum
Länge: 95 Minuten
Ab 12 Jahren
Kinostart: 9.1.2025