Es sind schwere Vorwürfe, die der Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim erhebt. Der emeritierte Professor sieht die Deutsche Bahn in einer Schieflage: "Vorne hui und hinten pfui", sagte Monheim dem WDR. Der Konzern sonne sich "zu oft in teuren Prestigevorhaben" wie etwa das Projekt Stuttgart 21. Dafür werde "die Fläche extrem vernachlässigt". Womit er meint: Im bundesweiten Schienennetz der Bahn werde viel zu wenig getan, um es in Stand zu halten.
Stichwort Sanierungsstau: Davon hatte unlängst auch Bahn-Vorstandschef Richard Lutz gesprochen. Reisende müssten sich deshalb auf längere Sperrungen für Baustellen und Umleitungen einstellen. In hoch belasteten Bahn-Korridoren sollten deshalb ab 2024 Bauvorhaben gebündelt abgearbeitet werden. Konkrete Vorhaben nannte Lutz noch nicht.
Schon in der Vergangenheit Unglücke auf eingleisigen Strecken
Verkehrswissenschaftler Monheim ist eine Sache ganz besonders ein Dorn im Auge: Im Bahnverkehr gibt es immer noch eingleisige Streckenführungen. So wie auf der Strecke zwischen Garmisch und München, auf der es am vergangenen Freitag zu einem schweren Unglück mit fünf Toten und mehreren Dutzend Verletzten gekommen ist. Was genau zu diesem schweren Zugunglück geführt hat, ist noch unklar. Aber schon in der Vergangenheit - im Februar 2022, im Mai 2018 und im Februar 2016 - passierten auf eingleisigen Bahnstrecken in Bayern Zugunglücke. Wobei es unterschiedliche Ursachen und keine kausalen Zusammenhänge gab.
"Stellen Sie sich vor, wir hätten lauter Autobahnen, wo es nur eine Spur gibt", sagte Monheim dem WDR. Da habe man sofort gelernt, dass Autobahnen in jede Richtung zweispurig sein müssten. Heutzutage gebe es sechsspurige und achtspurige Autobahnen. Warum dann im Zugverkehr noch eingleisige Strecken? Auf solchen Strecken müssten als Minimum für eine Verbesserung neue Weichen eingebaut werden, forderte Monheim.
Lange Liste von Versäumnissen
"Ganz schlimm" sind aus Sicht des Verkehrswissenschaftlers "die vielen Langsam-Fahrstrecken und das Elektrifizierungsproblem". Es sei "endlos versäumt" worden, zu elektrifizieren. Der Fachmann sprach "von ein paar tausend Baustellen", die der Konzern inzwischen habe.
Die Liste der Versäumnisse sei lang: Marode Weichen, mangelnder Lärmschutz, fehlende regionale Strecken, Personalmangel - und noch einiges mehr. Die Bahn hat also einiges abzuarbeiten.