In Umfragen erlebt die AfD seit Monaten einen Höhenflug - vor allem in Ostdeutschland. Das hat den 88-jährigen Familienunternehmer, Kunstmäzen und Milliardär Reinhold Würth offenbar zu einer eher ungewöhnlichen Aktion bewogen. In einem fünfseitigen Schreiben appelliert der Chef an seine 25.000 Beschäftigten in Deutschland, dass sie bei Wahlen nicht der AfD ihre Stimme geben.
Wer ist Reinhold Würth?
Schrauben, Dübel, Werkzeuge – solche und andere Dinge fertigen die Beschäftigten der Würth-Gruppe mit Stammsitz in Künzelsau (Baden-Württemberg). Reinhold Würth hatte 1949 mit 14 Jahren in der väterlichen Schraubengroßhandlung eine kaufmännische Lehre begonnen.
Als sein Vater Adolf Würth 1954 starb, übernahm der damals 19-Jährige das Unternehmen. Aus dem damaligen Zweimannbetrieb entwickelte er einen weltweit tätigen Handelskonzern mit mehr als 400 Gesellschaften in über 80 Ländern. Für den Handelskonzern arbeiten aktuell nach eigenen Angaben mehr als 87.000 Menschen.
Was steht in Würths Schreiben?
Seine Unternehmensgruppe äußere sich normalerweise zu politischen Themen nicht, "aber in diesem Fall der AfD sehe ich mich in Übereinstimmung mit Abermillionen deutscher Bürger“, schreibt Würth. An mögliche Protestwähler richtet er diese Worte:
In Deutschland müsse niemand hungern oder frieren, schreibt Würth. Es sei ein Normalfall, dass die Menschen wohl etabliert ein eher freiheitliches Leben leben könnten. Die Sparquote im Land sei hoch, die Gesundheitsvorsorge auf europäischem Niveau, die Arbeitszeiten deutlich kürzer als in vielen anderen Ländern, argumentiert Würth. Es sei aber eine menschliche Eigenschaft, Erreichtes als selbstverständlich anzusehen und nicht mehr zu schätzen.
Wie sind die Reaktionen?
Lobende Worte kamen von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Würth habe mit seinem Schreiben an die Mitarbeiter einen "sehr wertvollen, stilbildenden" Hinweis gegeben, sagte Kretschmann in Stuttgart. Es sei positiv, dass sich die Wirtschaft für eine stabile Demokratie positioniere. Kretschmann sieht Würth nicht als Einzelfall; es hätten sich schon länger viele Unternehmen in diese Richtung geäußert.
Führende Ökonomen hatten die Wirtschaft in Deutschland schon zu Jahresbeginn aufgerufen, sich öffentlich stärker gegen den Rechtsextremismus und die AfD zu positionieren.
"Die Vorstände in den Unternehmen müssen jetzt Farbe bekennen gegen rechts und ihren Beschäftigten vor Augen halten: ‚Eure Jobs sind in Gefahr, wenn die AfD sich durchsetzt‘“, hatte etwa der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, zu Jahresbeginn der Nachrichtenagentur dpa gesagt.
Kritik an dem Schreiben von Würth an seine Mitarbeiter kam indes von Anton Baron, AfD-Fraktionschef im Baden-Württemberger Landtag. "Was Reinhold Würth in seinem Leben geleistet und für die Region getan hat, ist aller Ehren wert. Was er allerdings nicht bedenkt, ist, dass seine Aussagen zu einer Polarisierung sowohl in der Belegschaft als auch unter den Kunden führen werden", so Baron.
Kritische Töne bei Umfrage
Unterschiedlich äußerten sich Passanten bei einer Straßenumfrage des WDR. Ein Mann sagte, er finde es zwar gut, dass sich Würth klar gegen die AfD positioniere. Aber: Es habe "schon ein leichtes Geschmäckle, dass Unternehmer hingehen und eine Wahlempfehlung für ihre Mitarbeiter ausgeben."
Ein anderer Mann sagte, eigentlich dürfe niemand einem anderen vorschreiben, was er oder sie zu tun habe. Jeder sollte selbst entscheiden können. Und ein weiterer Befragter vertrat diese Position: Er, Würth, sei der Arbeitgeber - und er könne auch seine Meinung gegenüber der Belegschaft kommunizieren.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- Nachrichtenagentur epd
- Anton Baron in Pressemitteilung
- Straßenbefragung in einem Beitrag der Aktuellen Stunde