Cannabis am Steuer: Darum kann die Polizei den Grenzwert nicht prüfen

Stand: 22.08.2024, 18:37 Uhr

Für Cannabis am Steuer gibt es jetzt einen Grenzwert - aber: Der Polizei fehlen die passenden Messgeräte. Ein Schnelltest sagt nur, ob konsumiert wurde oder nicht.

Von Sabine Schmitt und Jörn Kießler

Für Autofahrerinnen und Autofahrer gelten von heute an neue Bestimmungen und Bußgelder für Cannabis am Steuer. Die wohl gravierendste Neuerung ist dabei der Grenzwert, der ab sofort - ähnlich wie bei Alkohol am Steuer - entscheidet, ob ein Bußgeld fällig wird. Er liegt für den Wirkstoff THC bei 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut. Bei Verstößen drohen in der Regel 500 Euro Bußgeld und ein einmonatiges Fahrverbot.

Das Problem ist nur, dass sich dieser Grenzwert bei einer Verkehrskontrolle noch nicht einmal annähernd bestimmen lässt. "Es gibt bei Verkehrskontrollen aktuell nur einen Test, der sagt, ob Cannabis konsumiert wurde oder nicht", erklärt Michael Mertens, Vorsitzender des NRW-Landesbezirksverbands der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Gespräch mit dem WDR.

Polizei fehlen technische Möglichkeiten für Cannabis-Test

Anders als beispielsweise der Atemalkoholtest, der zumindest ein vages Ergebnis bringt, an dem sich die Polizei orientieren kann, sagt das Ergebnis des Speicheltests nur aus, ob der Fahrende Cannabis konsumiert hat oder nicht. Ob der Grenzwert überschritten wurde, lässt sich damit nicht sagen.

"Heute tritt der Grenzwert in Kraft – aber wir haben immer noch kein Testgerät, das diesen Grenzwert abbilden kann. Uns fehlen die technischen Möglichkeiten für Tests bei Verkehrskontrollen." Michael Mertens, Landesvorsitzender GdP NRW

Das NRW-Innenministerium bestätigt das. Der Schnelltest sei ein Drogen-Vortest, der nur anzeige ob die getestete Person bestimmte Drogen - darunter auch Cannabis - oder Medikamente konsumiert habe, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Dazu, ob es Geräte gibt, die dazu in der Lage sind, und wie viele die Polizei in NRW davon bräuchte, um alle Streifenwagen auszurüsten, konnte man im Ministerium am Donnerstag nichts sagen.

Gleiches Test-Procedere in den Niederlanden

Ein Blick in die Niederlande zeigt aber: NRW ist mit dem Problem nicht allein. Auch in unserem Nachbarland gibt es einen THC-Grenzwert im Straßenverkehr. Er liegt bei 3 Nanogramm je Milliliter Blut, also noch niedriger als bei uns. Und obwohl das Vorgehen bei Drogenkontrollen im Straßenverkehr in den Niederlanden seit 2016 in einem Erlass detailliert geregelt ist, gibt es auch dort offenbar bislang kein Gerät, mit dem man kurzfristig auch nur ungefähr den THC-Wert messen kann.

Das Procedere ist demnach das Gleiche wie bei uns. Sobald es bei einem Autofahrer oder einer -fahrerin Anzeichen dafür gibt, dass er oder sie Cannabis konsumiert haben könnte, müssen die Beamten die Person mit auf die Wache nehmen und einen Bluttest durchführen. Für die Polizei bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand, der viel Personal bindet.

Dazu kommt, dass das Ergebnis des Bluttests erst nach drei bis vier Tagen vorliegt. Bis dahin können die Getesteten selbst entscheiden, ob sie sich wieder ans Steuer setzen oder nicht.

Verdacht auf Cannabis im Straßenverkehr | Bildquelle: WDR

GdP-Landesvorsitzender besorgt um Verkehrssicherheit

"Bei Alkohol bedeuten 1,1 Promille absolute Fahruntüchtigkeit. Das ist gesetzlich geregelt", sagt Mertens. Für Cannabis gebe es diesen Grenzwert nicht, doch das hätte der Gesetzgeber regeln müssen. "Diesen Wert nicht zu haben, geht zu Lasten der Verkehrssicherheit", so der GdP-Landesvorsitzende.

"Die ganze Legalisierung von Cannabis ist aus der Sicht der Polizei komplett unbefriedigend gelaufen." Michael Mertens, Landesvorsitzender GdP NRW

Unsere Quellen:

  • Gespräch mit Michael Mertens, Landesvorsitzender GdP NRW
  • Gespräch mit einem Sprecher des NRW-Innenministeriums
  • Nachrichtenagentur dpa

Der WDR berichtet über dieses Thema am 22. August 2024 auch im Fernsehen, unter anderem in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.