Normalerweise bringt die Wittgensteiner nichts so leicht aus der Ruhe. Doch zwei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichtes Münster und die geplante Neufassung des Bundesbaugesetzes haben das jetzt geschafft:
Weil Bad Berleburg dann nicht mehr entscheiden dürfe, wo Windräder stehen, und wo nicht, hat der Stadtrat eine Resolution an den Kanzler und seinen Vize Habeck geschickt.
Ein Achtel aller NRW-Windräder in Bad Berleburg
Bad Berleburg ist so etwas wie eine Vorzeigekommune für Erneuerbare Energie. Acht Prozent der Stadtfläche sind als Windenergiebereiche für 120 Windräder ausgewiesen, ein Achtel aller geplanten nordrhein-westfälischen Windräder werden hier bald stehen. „Wir sind also sehr offen für Windkraft“, sagt Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann (parteilos).
Jedenfalls, so lange die Stadt steuern kann, wo die Windräder stehen. Diese Flächen wurden in vielen Sitzungen mit Bürgern, Anwohnern und Windkraft-Investoren festgelegt – dafür gebe es einen breiten Konsens, sagt der Bürgermeister. Aber eben auch dafür, dass andere Bereiche freigehalten werden sollten.
Investor darf bauen, wo die Stadt es nicht will
Doch nach einem Urteil des OVG darf ein Investor auch da bauen, wo es aus Sicht der Stadt nicht geeignet ist. Und die geplante Novellierung des Bundesbaugesetzbuches, die gerade im Bundestag debattiert wird, sehe ebenfalls großzügige Privilegien für Windkraft-Investoren vor, klagt Berleburgs Bürgermeister.
Deshalb stimmten eine breite Mehrheit im Bad Berleburger Stadtrat der Resolution zu. Sie fordert, dass Land und Kommunen auch künftig beim Bau von Wind und Freiflächensolaranlagen ein Wort mitzureden haben. Das solle im Bundesbaugesetz festgeschrieben werden – und die Privilegien für Windkraftanlagen außerhalb der geeigneten Zonen sollen entfallen.
Sorge vor „Windrad-Wildwuchs“ haben viele Städte
Da sind Forderungen, die gerade in Westfalen ziemlich viele Kommunen unterschreiben würden. Es gibt fast 100 ähnliche Fälle im Regierungsbezirk Arnsberg. Deshalb verfolgen viele die Initiative aus Bad Berleburg gerade sehr aufmerksam. Denn die Sorge, dass zu viele Windkraftanlagen außerhalb der als geeignet ausgewiesenen Zonen entstehen, ist groß. Die grundsätzliche Zustimmung zur Energiewende könnte kippen, fürchten viele Bürgermeister.
Auch die schwarz-grüne Landesregierung sieht das ähnlich und hat eine Bundesratsinitiative gestartet, um Änderungen im Bundesbaugesetzbuch vorzunehmen.
Stört Windkraft den Tourismus?
Wirtschaftsverbände wie die IHK Hellweg-Sauerland sorgen sich zudem um den Tourismus, der unter einem „Wildwuchs“ bei den Windkrafträdern leiden könnte. Eine Sorge, die der Landesverband Erneuerbare (LEE) zurückweist. An der Nordsee stünden deutlich mehr Windräder – und das würde Touristen dort nicht abschrecken.
Zudem seien viele Städte selbst schuld, dass sie keine gültigen Flächennutzungspläne hätten, die Vorrangzonen für Windkraft ausweisen. Diese Städte hätten ihre Hausaufgaben nicht gemacht, sagt der LEE-Vorsitzende und frühere Arnsberger Regierungspräsident Hans-Josef Vogel.
Paderborn gewinnt Windkraft-Streit vor Gericht
Dabei hatten viele Städte genau das in den vergangenen Jahren versucht – waren aber in den allermeisten Fällen am OVG Münster gescheitert. Mal hatten Windkraftgegner die aus ihrer Sicht zu weitgehenden Pläne beklagt, mal Befürworter zu wenig Fläche bemängelt. Eine der ganz wenigen Ausnahmen war vor wenigen Wochen die Stadt Paderborn. Deren Flächennutzungsplan hatte vor dem OVG Bestand.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels war die Aussage, ein Achtel aller nordrhein-westfälischen Windräder würden in Bad Berleburg stehen, missverständlich formuliert. Korrekt heißt es jetzt "...ein Achtel aller geplanten nordrhein-westfälischen Windräder werden hier bald stehen."
Unsere Quellen:
- Stadt Bad Berleburg
- OVG Münster
- IHK Hellweg-Sauerland
- Bezirksregierung Arnsberg
- WDR-Reporter vor Ort