Michael Grob sitzt überglücklich in seinem Zimmer im Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen. Am 9. März hat er ein Spenderherz erhalten. "Ich kann schon wieder gut gehen", sagt der 49-Jährige. "Bald darf ich auch wieder arbeiten, in Urlaub fahren und auch Sport machen. Ich habe die Chance auf ein ganz normales Leben."
Bei dem Hochbautechniker war 2011 eine "übergangene Herzmuskelentzündung" entdeckt worden, 2023 bekam er dann heftiges Vorhofflimmern, Panikattacken, die Herzleistung ging rapide zurück, er musste mehrmals in eine Klinik. "Die Ärzte sagten mir, ich solle über eine Transplantation nachdenken. Da brach alles in mir zusammen." Auch weil dem Mann aus Gersfeld (Rhön) bewusst war, wie lange man da warten muss.
Warteliste wird länger, weniger Transplantationen
Als er Ende 2023 in das Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen verlegt wurde, hatte er sich schon auf eine lange Wartezeit eingerichtet. "Ich habe hier eine Frau kennen gelernt, die fünf Jahre warten musste", so Grob. Und das ist nicht ungewöhnlich in dem renommierten Fachkrankenhaus. "Auf der Warteliste stehen über 120 Menschen", teilt der ärztliche Direktor Prof. Dr. Jan Gummert mit. Vor einem Jahr waren es noch um die 100.
Die Zahl der Transplantationen hat 2023 abgenommen gegenüber dem Vorjahr: von 105 auf 81. Die meisten Operationen, über 90 Prozent, sind Herzverpflanzungen, aber auch Lungen werden hier transplantiert. Doch nicht alle kommen von Organspenderinnen und -spendern aus Deutschland. "40 Herzen wurden uns 2022 aus dem Ausland vermittelt", so Gummert. "Rund 30 waren es 2023."
Organe kommen häufig aus dem Ausland
Die Organe kommen aus Ländern, in denen die Widerspruchslösung zur Organspende gilt. Das heißt: Verstorbenen können Organe entnommen werden, wenn sie nicht zu Lebzeiten widersprechen. Das Verfahren gilt in Deutschland nicht. Der Bundestag hat es mehrheitlich 2020 abgelehnt.
Hier gibt es die Entscheidungslösung: Man muss sein Einverständnis im Organspendeausweis oder der Patientenverfügung erklären, dass nach dem Tod Organe entnommen werden dürfen – oder im Organspenderegister, das es seit dem 18. März gibt.
Herzspezialist Gummert: "Moralischer Offenbarungseid – ein Skandal"
"Das ist doch ein moralischer Offenbarungseid“, ärgert sich Herzspezialist Gummert. "Ein Skandal. Wir akzeptieren, dass andere uns helfen, die die Widerspruchslösung haben." Er appelliert inständig an die Politik, den Beschluss von 2020 so schnell wie möglich zu ändern.
Auch die Ärztekammer Westfalen-Lippe fordert die Widerspruchslösung. Die geltende Entscheidungslösung habe "in keiner Weise zu einer Erhöhung der Organspendezahlen beigetragen". Zwar würden sich viele pro Organspende aussprechen, aber real nichts dafür tun. Im Interesse von über 8000 schwerstkranken Menschen, die in Deutschland dringend auf ein Spenderorgan warten, solle der Gesetzgeber dringend umsteuern.
Gesundheitsminister will neue Initiative für Widerspruchslösung
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hatte bereits 2023 eine Entschließung in den Bundesrat eingebracht, dass der Bundestag sich erneut mit der Widerspruchslösung befassen solle. Da bislang kein Gesetzentwurf vorliegt, will Laumann jetzt erneut die Initiative ergreifen und einen Entwurf vorbereiten: "Eine verpflichtende Entscheidung jedes Einzelnen halte ich für zumutbar. Wir zwingen niemanden zur Organspende", so der Minister.
Michael Grob sieht das auch so: „Für uns Organempfänger hängt so viel daran. Hier geht es um so großes Leid, das auch viel Kinder betrifft.“ Der Herzkranke hatte nur deshalb schnell ein Organ erhalten, weil alle Faktoren von Spender und Empfänger passten. Ansonsten hätte auch Grob vielleicht Jahre warten müssen.
Unsere Quellen:
- Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen
- Ärztekammer Westfalen-Lippe
- NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales