Vorkasse bei Flugtickets: Was spricht dafür, was dagegen?

Stand: 16.10.2022, 21:46 Uhr

Lange Schlangen bei den Sicherheitschecks, ausgefallene Flüge - teils chaotische Zustände: An den Flughäfen in NRW waren diesen Sommer viele Fluggäste verärgert. Das Land Niedersachsen schlägt deswegen heute im Bundesrat vor, dass Flugtickets erst beim Check-In bezahlt werden müssen.

Bisher zahlen Fluggäste oft Monate im Voraus für ihre Flugtickets. Bei Flugausfällen heißt das: Sie müssen sich auch darum kümmern, dass ihr Geld zurückerstattet wird. Das will das Land Niedersachsen jetzt ändern. Kunden sollen künftig nicht mehr per Vorkasse bezahlen, sondern erst kurz bevor sie das Flugzeug betreten - verpflichtend buchen müssten sie ihren Platz trotzdem.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Althusmann (CDU) begründet das damit, dass die derzeitige Praxis einseitig die Fluggesellschaften begünstige. Und so sieht das auch die Verbraucherzentrale. Sie hat bereits im März 2021 ein Aus der Vorkasse bei Flügen gefordert.

Das spricht für die Vorkasse

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) spricht von einem "System, das funktioniert". Für die Fluggäste gäbe es einen Frühbucherrabatt, der ohne Vorkasse nicht möglich wäre - dafür gäbe es für die Fluggesellschaften Planungssicherheit. Ohne diese müssten die Flüge teurer werden, weil das Risiko von leeren Plätzen größer würde. Das wäre zudem schädlich fürs Klima.

Die Vorkasse gibt Planungssicherheit und macht es dadurch möglich, dass die Fluggesellschaften ihren Kunden bei früherer Buchung auch deutlich preiswertere Tickets anbieten können. Das nutzen viele Reisende auch. Bei einer Abschaffung der Vorkasse wäre das dann so gar nicht mehr möglich. Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft

Außerdem argumentieren die Fluggesellschaften, dass sie für den Treibstoff in Vorleistung gehen müssten. Auch ein praktischer Gedanke stimmt den BDL skeptisch: Wenn erst beim Check-In bezahlt wird, könnte sich die Wartezeit noch weiter erhöhen. Bei Flugausfällen und Problemen bekämen Kundinnen und Kunden fast immer innerhalb der vorgeschriebenen sieben Tage ihr Geld zurück.

Jüngste Zahlen der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) zeigen allerdings, dass im 1. Halbjahr 2022 rund 78 Prozent der Schlichtungsanträge auf den Flugverkehr fielen - häufigster Grund dort sind ausgefallene Flüge.

Das spricht gegen die Vorkasse

Der wohl offensichtlichste Vorteil für Fluggäste beim Wegfall der Zahlung per Vorkasse ist, dass sie sich bei ausfallenden Flügen nicht mehr um Rückerstattungen durch die Fluggesellschaften kümmern müssen. Der Verbraucherzentrale (VZBV) ist vor allem ein anderer Punkt wichtig: Der Wegfall der Kredite auf Kosten der Fluggäste.

Das Geschäftsmodell vieler Airlines basiere auf der Zahlung per Vorkasse durch die Kundinnen und Kunden, die damit eine Art Kredit gäben. Die Verbraucherzentrale argumentiert: Banken wüssten besser, wie kreditwürdig eine Fluggesellschaft oder ein Reiseanbieter ist. Das jetzige System zöge Insolvenzen in die Länge - an deren Ende die Flugreisenden wieder die Leidenden seien.

Diesen Sommer mussten viele Fluggäste Chaos auf den Flughäfen erleben, tausende von Flügen wurden einfach gestrichen. All diese Flugäste haben aber teilweise schon Monate vorher den Airlines ihr Geld anvertraut. Marion Jungbluth, Verbraucherzentrale Bundesverband

Laut eines Gutachtens der Hochschule Luzern im Auftrag der Verbraucherzentrale würden mit der Umstellung höhere Kosten von bis zu 3,3 Prozent auf die Fluggesellschaften zukommen. Auch technisch sieht das Gutachten keine Probleme. Es empfiehlt aber, mit der Umstellung zu warten, bis sich die Bilanzen der Fluggesellschaften nach der Corona-Pandemie erholt haben. Dann stünde ihr aber nichts mehr im Wege.