Wenn es nach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht, sollen mehr Menschen bis zum Renteneintrittsalter arbeiten, statt schon einige Jahre vorher in Ruhestand zu gehen. Das falle vielen heute schwer, sagte Scholz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und der französischen Zeitung "Oest-France". Bis 2031 wird das Renteneintrittsalter in Deutschland auf 67 Jahre gestaffelt erhöht.
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) hat errechnet, dass im Moment allerdings besonders viele Menschen schon mit 63 oder 64 in Rente gehen, also vor ihrem eigentlichen Eintrittsalter. Dabei werden oft auch Abschläge in Kauf genommen. Nicht immer ist es eine Entscheidung aus freien Stücken, viele sehen sich auch aus gesundheitliche Gründen oder der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt dazu gezwungen. Die meisten nutzen allerdings die Möglichkeit der so genannten "Rente mit 63". Hierbei können Menschen, die 45 Jahre in die Kasse eingezahlt haben, auch ohne Abzüge früher in Rente gehen.
Personalmangel wird sich verschärfen
Schon jetzt spüren einige Branchen einen Fachkräftemangel, zum Beispiel die Pflege oder das Handwerk. Voraussichtlich wird sich dieser noch verschärfen. Laut ifo-Institut fehlt es in beinahe jedem zweiten Betrieb an Arbeitskräften. Scholz zitiert Fachleute, die bis 2030 von einem Personalmangel von sechs Millionen Beschäftigten ausgehen. Gleichzeitig kommen nicht genug Erwerbstätige nach, die diesen Mangel ausgleichen könnten. Gerade die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer aus den Fünfzigern und Sechzigern gehen in die Rente oder stehen kurz davor. Diesen Verlust auf dem Arbeitsmarkt gilt es auszugleichen.
Junge Menschen, Frauen, Fachkräfte aus dem Ausland
Scholz hat verschiedene Stellschrauben ausgemacht: Es brauche bessere Startmöglichkeiten für junge Leute und Investitionen in die berufliche Aus- und Weiterbildung. Außerdem sieht der Bundeskanzler "Steigerungspotenzial" beim Anteil von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Um dies zu ermöglichen, müsste allerdings das Betreuungsangebot in in Krippen, Kitas und Schulen erweitert werden.
Ein dritter Punkt sei die Einwanderung von Fachkräften aus anderen Ländern. Diese würden benötigt, "um unseren Wohlstand sichern zu können", so Scholz. Dafür müsse auch die Einbürgerung nach Deutschland erleichtert werden. Es gehe Scholz nicht darum, das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen. Das stellte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin noch einmal klar.
Reaktionen aus Politik und Verbänden überwiegend positiv
Die politischen Reaktionen auf die Vorschläge von Olaf Scholz fallen größtenteils positiv aus. Politikerinnen und Politiker der CDU und CSU mutmaßen allerdings, es gehe der SPD darum, ihr Prestigeprojekt "Rente mit 63" abzuwickeln, so Stefan Müler, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag. Dietmar Bartsch, Fraktionschef von "Die Linke", begrüßt die Vorschläge von Olaf Scholz. Jetzt müsse die Ampelregierung eine große Rentenreform in Angriff nehmen. Auch der Sozialverband Deutschland stimmt mit dem Bundeskanzler überein - die Förderung von Umschulungen und besseren Arbeitsbedingungen sei wichtig - allerdings müsse sichergestellt sein, dass nur die Menschen weiter arbeiten, die gesundheitlich auch in der Lage dazu seien.
Arbeitgeberpräsident: "Grundrenovierung des Sozialsystems"
Kritik kommt von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Ihm gehen die Forderungen des Kanzlers nicht weit genug. Dulger meint es brauche eine "Grundrenovierung des Sozialsystems". Das Rentenalter dürfe keine feststehende Zahl sein, sondern müsse dynamisch angepasst werden - an die Bedürfnisse und vor allem an die steigende Lebenserwartung der Menschen.
Das Rentenniveau werde mit dem aktuellen System auch 2025 nicht bei 48 Prozent zu halten sein, so Dulger. Generell wird das Rentenniveau ab 2025 sinken, das prognostiziert die Bundesregierung im aktuellen Rentenversicherungsbericht. Auch das liegt daran, dass mehr Menschen in Rente gehen, als Erwerbstätige nachkommen.