Obdachlose in eisiger Kälte Aktuelle Stunde 13.01.2025 24:06 Min. UT Verfügbar bis 13.01.2027 WDR Von Carmen Krafft-Dahlhoff

Klirrende Kälte in Essen: Obdachlos bei Minusgraden ist Schwerstarbeit

Stand: 13.01.2025, 14:22 Uhr

Tagsüber betteln, eine sichere Schlafstelle organisieren und eine warme Ausrüstung, um Minusgrade zu ertragen. Als Obdachloser bei klirrender Kälte zu überleben, verlangt den Betroffenen viel ab. Trotz vieler Hilfsangebote im Ruhrgebiet.

Von Carmen Krafft

Wir treffen Tobi Bischof am Montagvormittag mitten in der Essener Innenstadt. Seine Füße mit Wollsocken stecken in Badelatschen, unterm Arm trägt er Wolldecken. Der hochgewachsene 31-Jährige hat in der vergangenen Nacht im Hauseingang geschlafen. Er hat es eilig, Geld fürs Essen zusammenbetteln. Hilfe bräuchte er nicht: "Ich komm schon so klar." Nur so viel: Es sei bei der Kälte anstrengend, für sich selbst zu sorgen.

Im Arztmobil auf der anderen Straßenseite bestätigt uns Steffi Löhr, dass es besonders jetzt bei Minusgraden viel zu tun gibt mit der medizinischen Versorgung. In dem ausrangierten Rettungswagen ist die medizinische Fachangestellte heute für die Ärztin eingesprungen und hat ohne Unterbrechung Patienten. "Wir legen uns bei einer Erkältung ins Bett, bei Wohnungslosen wächst sich das schnell zu einer Lungenentzündung aus."

Schlafplätze fast immer ausgebucht

Das Problem: Schlafstellen, die von jüngeren Wohnungslose wie Tobi akzeptiert werden, sind bei Kälte ausgebucht. Dem Nachtasyl belegt von Männern, die seit vielen Jahren obdachlos sind, ziehen Jüngere das Risiko vor und übernachten im Freien. Wie der 30-jährige Frank. Im Café der Notschlafstelle der Essener Suchthilfe bekommt er in seiner dünnen Jogginghose Frühstück und Winter-Klamotten. Nach eigenen Angaben wurde er gerade aus der Haft entlassen.

Hilfe für eisige Tage und Nächte: Frank bekommt in der Essener Suchthilfe ein "Frost-Kit" | Bildquelle: WDR/Carmen Krafft

Den Familienvater aus der Elfenbeinküste schreckt die Obdachlosigkeit im Winter nicht ab. Aber es sei auch sein erster Winter ohne Obdach. Auch bei der Suchthilfe sind die maximal 15 Plätze abends schnell belegt. Bei Frank liegt zwar eine Suchterkrankung vor - Voraussetzung fürs Übernachten - aber neben den begrenzten Plätzen sind die Regeln streng: kein Drogenkonsum, um acht Uhr morgens die Zimmer räumen.

"Schlafsäcke haben wir heute leider keine mehr, aber das kann ich Ihnen anbieten", sagt die pädagogische Leiterin der Suchthilfe und händigt Frank Isomatte, Fleece-Mütze und Socken aus. Zum Glück stelle das Land seit einigen Wintern Gelder zur Verfügung, um Wohnungslose wie ihn mit dem Allernötigsten auszurüsten.

Neue Schlafstellen im Kloster

Minusgrade verlangen den Obdachlosen in Essen viel ab | Bildquelle: WDR/Carmen Krafft

Ein paar Straßen weiter, in der Übernachtungsstelle "Raum 58" der Caritas, sind die Jugendlichen am Vormittag schon im benachbarten Einkaufszentrum, um sich zu wärmen. Die acht Schlafplätze reichen auch hier nicht aus. "Minderjährige haben bei der Übernachtung Vorrang", so Leiterin Britta Reuter. So käme es vor, dass Teenager über 18 Jahre sich woanders etwas suchen müssen.

Ein Lichtblick: In einer Flüchtlingsunterkunft sind gerade acht neue Plätze für Jugendliche entstanden. Sie müssen rausfahren nach Schuir, ans andere Ende der Stadt, in ein ehemaliges Kloster. Aber immerhin ist es ein warmer Platz in eisigen Nächten.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporterin vor Ort
  • Suchthilfe Essen
  • Übernachtungsstelle "Raum 58"

Über dieses Thema berichten wir am 13.01.2025 auch im WDR Fernsehen: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.