Am Montag wird ein neuer überarbeiteter Regionalplan öffentlich für zwei Monate ausgelegt: Darin sind drei Abbaugebiete für Kies und Sand am Niederrhein ganz gestrichen - rund ein Fünftel weniger Abbaufläche als zuvor geplant. Seit Jahren ist das Thema Kiesabbau heftig umstritten. Schon vor der offiziellen Präsentation gab es erneut Kritik.
Die NRW-Sand- und Kiesindustrie lehnt die Einschränkungen für den Abbau ab. Sie argumentiert mit dem Bedarf an heimischen Rohstoffen für dringend benötigte Neubauwohnungen und drohenden Preissteigerungen. Importe von weit her belasteten außerdem das Klima unnötig, führen sie an.
Der Kreis Wesel will den Kiessabbau strikt begrenzen
Die betroffenen Kommunen - besonders der Kreis Wesel - sind dagegen für die strikte Begrenzungen des Abbaus. Der Weseler Landrat Ingo Brohl krisiert die Macher der Planung beim Regionalverband Ruhr (RVR). Sie hätten "offensichtlich weiterhin die Zeichen der Zeit im Umgang mit hochwertigen ökologischen und landwirtschaftlichen Flächen nicht erkannt", sagte Brohl. "Hier wird Grün dauerhaft weggebaggert, vernichtet", erklärte der CDU-Politiker. Die Kritiker weisen auch immer wieder darauf hin, dass die gewonnenen Rohstoffe keineswegs komplett in neue Wohnungen fließen, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil ins Ausland verkauft würden.
Überarbeitung des Regionalplans mit neuem Beteiligungsverfahren
Der Streit mit tausenden Einwendungen hatte schon für das Scheitern des vorherigen Regionalplanentwurfs gesorgt: Auf die Klage der Niederrheinkommunen hatte das OVG Münster im vergangenen Jahr Einschränkungen für den im Plan festgeschriebenen Kiesabbau vorgegeben. Daraufhin hatte der Regionalverband den gesamten Regionalplan deutlich überarbeitet und startet jetzt ein neues Beteiligungsverfahren.
Die größten Flächen bleiben in Neukirchen-Vluyn erhalten
Der RVR hatte vergangenen Dienstag erklärt, man habe sich bei der Überarbeitung der Pläne auf die besonders ergiebigen Flächen im Kreis Wesel konzentriert. Insgesamt reduziert sich die Abbaufläche damit von 1.163 auf 932 Hektar. Die größten Flächen bleiben in Neukirchen-Vluyn erhalten.
Die Bereiche "Boschheide" und "Rayen/Hochkamer" tauchen in den neuen Plänen nicht mehr auf. Auch in Kamp-Lintfort fällt mit "Saalhoff/Alpsray" eine Fläche weg, darüber hinaus sollen die Abbauflächen "Niebhauser Feld" und "Rossenrayer/Asdonkshof" verkleinert werden.
Familie Nolte sieht Bestätigung für ihre Arbeit
Familie Nolte in Neukirchen-Vluyn ist erleichtert. Alexandra und Roland Nolte wohnen mit ihren Kindern auf einem Hof, der nach bisherigen Planungen eine Insel in einem riesigen Kiesabbaugebiet gewesen wäre. Dass diese Flächen nun wegfallen, sei eine große Bestätigung für die Arbeit der vergangenen Jahre.
Immer wieder hatten sie hier zu Mahnwachen gegen den Kiesabbau eingeladen. "Die werden auch weiterhin stattfinden, denn die Situation ist in Alpen, Rheinberg und Kamp-Lintfort immer noch dramatisch", sagt Alexandra Nolte.
Städte wollen auch neue Pläne juristisch prüfen
Kamp Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt äußerte sich weniger erfreut zu den überarbeiteten Plänen und widerspricht der Darstellung des RVR. "Die Flächen fallen nicht komplett aus den Planungen, sondern werden nur reduziert." Damit habe sich an der Ausgangssituation nichts geändert. Der RVR und die Landesregierung hätten es versäumt, das gesamte Verfahren auf eine rechtmäßige Grundlage zu stellen, deshalb werde jetzt eine erneute Klage geprüft, so Landscheidt weiter.
Urteil zwang RVR zur Überarbeitung
Im Frühjahr des vergangenen Jahres hatten die Kreise Wesel und Viersen sowie vier besonders betroffene Städte gegen die bisherigen Abbaupläne geklagt und Recht bekommen. Der Regionalverband musste den Planungszeitraum von 25 auf 20 Jahre reduzieren.
Kiesgegner sahen das Urteil als Wendepunkt in dem seit Jahrzehnten andauernden Konflikt. Doch schnell zeigte sich, dass Abbau und Bedarf nicht generell hinterfragt, sondern die Pläne nur überarbeitet werden. Dass jetzt ganze Flächen aus der Planung gestrichen sind, wird jedoch als großer Erfolg gewertet.
Einwendungen ab 6. Februar möglich
Bürgerinnen und Bürger können die Pläne ab 6. Februar für zwei Monate einsehen. Dann können erneut Einwendungen eingereicht werden. Aus den Initiativen zeichnet sich trotz des Erfolges ab, dass man diese Option auch weiterhin nutzen werde. "Das ist nur ein Etappensieg auf dem Weg zum Ausstieg aus dem Kiesabbau", so Roland Nolte. Am 12. Februar will die Familie zur nächsten Mahnwache auf ihren Hof einladen.
Niederrhein-Kommunen erwägen weitere Klage
Für den größten deutschen Ballungsraum Ruhrgebiet mit deutlich über fünf Millionen Einwohnern bringt der Streit um die Kies-Regionalplanung Verzögerungen. Schließlich regele der Plan neben dem Thema Kiesabbau zahlreiche weitere Fragen etwa zu Gewerbeflächen, Wohnstandorten und landwirtschaftlichen Gebieten im ganzen Ruhrgebiet. Vieles davon sei völlig unstrittig, sagte ein RVR-Sprecher.
Die Niederrhein-Kommunen sind mit dem Plan aber offensichtlich weiter unzufrieden und erwägen eine weitere Klage. "Mit unseren Städten und Gemeinden sind wir in enger Abstimmung sowohl im Hinblick auf die jeweiligen Stellungnahmen zur 3. Offenlage als auch zur Überprüfung und Vorbereitung einer weiteren Kies-Klage, diesmal dann gegen den Regionalplan", erklärte Brohl.
Über das Thema berichteten wir auch in der WDR-Lokalzeit am 31.01.2023 und im Hörfunk am 01.02.2023.