Es war der 16. August 1988 - Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner stürmen eine Bank in Gladbeck im Kreis Recklinghausen. Sie sind schwer bewaffnet und nehmen zwei Geiseln. Ihre Forderungen: 420.000 Mark und ein Fluchtwagen. Ein Punkt, der ein Novum ist und große Diskussionen auslöst: Die beiden Geiselnehmer geben Journalisten ein erstes Interview. Die Situation zieht sich über Stunden hin, später steigt noch Rösners Freundin mit in den Fluchtwagen.
35 Geiseln im Linienbus
Bis nach Bremen fahren Rösner und Degowski mit ihren Geiseln. Dort kapern sie einen Linienbus, nehmen 35 Geiseln und geben Journalisten weitere Interviews. Mehrere Geiseln kommen frei. Es gibt aber auch einen tödlichen Zwischenfall. Dieter Degowski erschießt einen 15-jährigen Jungen. Später stirbt noch ein Polizist bei der Verfolgung. Ein weiterer Journalist sorgt für einen Skandal. Er fährt auf der Flucht in Köln ein Stück im Auto der Geiselnehmer mit.
Flucht endet mit toter Geisel
Erst zwei Tage nach dem Beginn der Geiselnahme greift die Polizei zu. Auf der A3 bei Bad Honnef rast ein Einsatzkommando mit vier Wagen heran. Weil die Beamten aber die Fernsteuerung für den Zündunterbrecher am präparierten Fluchtwagen nicht finden, rammen die Verfolger den Wagen von Degowski und Rösner nicht an der berechneten Stelle. Degowski kann sofort das Feuer eröffnen. Einer Geisel gelingt im Kugelhagel die Flucht in den Straßengraben. Rösner wird in den Oberschenkel getroffen. Den Ermittlungen zufolge tötet er darauf die letzte Geisel durch einen Schuss ins Herz. 54 Stunden nach Betreten der Bank in Gladbeck werden Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski sowie die Komplizin Marion L. überwältigt.
Prozess in Essen
Bis 22.03.1991 wird der Fall verhandelt. 109 Prozesstage hatte es gedauert, um Zeugen zu hören und Beweise zu würdigen. Das Landgericht Essen verurteilt Degowski und Rösner zu lebenslanger Haft. Rösner erhält noch anschließende Sicherungsverwahrung. Der Richter war damals Rudolf Esders. "Ich hatte, soweit ich mich erinnere, etwa 120 Schreibmaschinenseiten Urteilsbegründung. Und das schriftliche Urteil war sogar 250 Seiten dick", erinnert sich Esders heute. Aber es gab nicht nur eine juristische Aufarbeitung der dramatischen Geschehnisse. Polizei und Journalisten standen im Fokus massiver Kritik. Die Polizei überdachte daraufhin ihr grundsätzliches Arbeiten bei solchen Einsätzen.
Versagen der Journalisten
Die Interviews mit den Tätern während der Geiselnahme führten zum Einschreiten des Deutschen Presserats. Kommunikationswissenschaftler Matthias Degen von der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen bewertet die Versäumnisse ganz klar. "Die Gladbecker Geiselaffäre war rückblickend journalistisch ein Versagen auf ganzer Linie. Aber es waren gestandene Journalisten. Daher müssen Journalisten tagtäglich ihre Arbeit reflektieren." Oft wird das Beispiel "Gladbeck" seitdem in der Ausbildung von Journalisten thematisiert.
Gnadengesuche und Hafterleichterungen
Die beiden verurteilten Geiselgangster Degowski und Rösner sind auch heute, 25 Jahre nach dem Urteil gegen sie, noch nicht wieder frei. Mehrere Versuche, vorzeitig entlassen zu werden, wurden abgelehnt. Hans-Jürgen Rösner sitzt in der JVA Aachen und hat die so genannte "Mindestverbüßungsdauer" gerade hinter sich. Er wurde bereits ausgeführt, allerdings mit Fußfesseln und Bewachung. Dieter Degowski hat unter anderem in Werl hinter Gittern gesessen. Im Rahmen seiner Resozialisierung hat er bereits mehrere unbegleitete Ausgänge unternommen. Am heutigen Jahrestag werden sicher viele die eindringlichen Bilder von damals wieder vor Augen haben.