Ein Fünf-Sterne-Hotel für Erdbeeren

Stand: 10.11.2022, 19:51 Uhr

Rot, süß, saftig, klimafreundlich – fünf junge Gründer aus Witten wollen eine Revolution in der heimischen Erdbeerzucht anstoßen.

Von Kay Bandermann

Ihre Mission ist nichts weniger als die „perfekte Erdbeere“. Makellos, jederzeit verfügbar, an jedem Ort – und dann auch noch „klimafreundlich“. Die fünf jungen Gründer von v-Greens aus Witten wollen eine Revolution in der heimischen Landwirtschaft anstoßen: mit weniger Flächen- und Ressourcenverbrauch und regionaler Produktion.

Anbau in Regalen

Vertical farming ist nicht neu und im Ausland weiter verbreitet als hierzulande. Kräuter und kleine Salatköpfe wachsen in einigen Supermärkten bereits als Eyecatcher-Produkte in der Frischgemüseabteilung. 2021 wagte v-Greens den Sprung in die nächsthöhere Pflanzen-Gattung: bodennahes Obst, in diesem Fall: Erdbeeren. Nach anderthalb Jahren Vorarbeiten und diversen Testläufen im Labor sind ihre "vertikalen Erdbeeren" jetzt in die Serienproduktion gegangen.

Das ganze Jahr über Sommer

Dafür reicht eine kleine Industriehalle in einem Wittener Gewerbegebiet. Dort simulieren sie die Klima- und Umweltbedingungen wie etwa Anfang Juni: lange Tage, warme, aber nicht zu heiße Temperaturen, dazu andere Parameter wie Luftfeuchte oder CO2-Gehalt – alles Software-gesteuert. Ein "Fünf-Sterne-Hotel für die perfekte Erdbeere", nennt es Mit-Gründer Stefan Hey. Der promovierte Pflanzengenetiker ist der einzige Naturwissenschaftler im Team.

Hummeln für den Bestäubungs-Service

Ein Strauch mit reifen, roten Erdbeeren | Bildquelle: WDR / Kay Bandermann

Personal hat das "Erdbeer-Hotel", übrigens, auch. Mehrere Dutzend Hummeln schwirren durch die Regale und bestäuben die jungen Pflanzen. In mannshohen Regalen wurden zuvor in vier Ebenen die vorbereiteten Erdbeersetzlinge "eingepflanzt". Und zwar nicht in Erde, sondern in Wasser. "Mit einer Nährstofflösung, die alle 13 Stoffe hat, die eine Erdbeere zum Wachstum braucht", sagt Co-Gründer Maximilian Hartmann.

Sehr süß, aber teuer

Dem Geschmack tue das keinen Abbruch, versichern die Entwickler. Der sei von einer hochwertigen Erdbeere aus dem Freiland nicht zu unterscheiden. Den Unterschied macht allerdings der Preis: 5,99 Euro für die 250-Gramm-Schale. Ausschuss gebe es nicht, und die Süße der Frucht liege weit über dem Handelsüblichen. Das rechtfertige auch den höheren Preis im Vergleich zur heimischen Freiland-Erdbeere oder den Importprodukten aus Nordafrika oder Spanien.

Software simuliert perfekten Sommertag

Ein Beet mit Erdbeerpflanzen | Bildquelle: WDR / Kay Bandermann

Alles ist exakt errechnet und wird von eigens geschriebenen Software-Programmen gesteuert: Die künstliche Beleuchtung simuliert einen perfekten Sommertag – 16 Stunden Helligkeit, Sonnenaufgang und -untergang inklusive. Das Ergebnis: Nach rund vier Wochen sind die Erdbeeren erntereif. Egal zu welcher Jahreszeit. Auf 45 Quadratmeter Hallenfläche können pro Jahr 10.000 Kilogramm Erdbeeren geerntet werden. "Im Freiland würde man dafür einen Hektar brauchen", sagt Biologe Hey und zählt die weiteren Vorteile auf: 95 Prozent weniger Wasserverbrauch, 90 Prozent weniger Düngemittel, 70 Prozent Treibhausgas-Ersparnis.

Nachteil (noch): hoher Energieverbrauch

Die Achillesferse des Projekts: Der hohe Stromverbrauch für die Kunstbeleuchtung. Den wollen die Tüftler konstant reduzieren. Aktuell lässt v-Greens seinen CO2-Fußabdruck ausrechnen. Auf der Habenseite stehen auf jeden Fall der Verzicht auf den Acker und die kurzen Wege zum Verbraucher.

Über dieses Thema berichten wir auch im Fernsehen in der Lokalzeit aus Dortmund am 14.11.2022.