Prozess gegen Altenpfleger: "Wie konnten Sie meiner Mutter so etwas nur antun?"

Stand: 16.01.2024, 17:40 Uhr

Am Hagener Landgericht ist am Dienstag der Prozess gegen einen Altenpfleger aus Ennepetal weitergegangen. Er hatte bereits gestanden, hilflose Seniorinnen in einem Pflegeheim vergewaltigt zu haben. Am Dienstag sagten die Angehörigen der Opfer aus.

Von Jan Schulte

Es ist der dritte Verhandlungstag. Mit knapp zehnminütiger Verspätung betreten Richter Jörg Weber-Schmitz und sein Gremium den großen Saal des Hagener Schwurgerichts. Die Aussagen, die hier gleich gemacht werden, lassen erahnen, was die Angehörigen der vergewaltigten Seniorinnen in diesen Tagen emotional durchmachen.

Vorwürfe eingestanden

Bei der vergangenen Sitzung hatte Torben S., ein mehrfacher Studienabbrecher, der seit 2021 in dem Heim in Ennepetal-Voerde als Pfleger im Nachtdienst beschäftigt war, die schweren Vorwürfe der Hagener Staatsanwaltschaft eingeräumt. Der Reihe nach ruft das Gericht die Zeugen nun auf. Sie nehmen Platz – keine zwei Meter neben dem Mann, der die überwiegend dementen, teilweise gelähmten und stummen Frauen immer wieder vergewaltigt hat.

Prozess gegen Altenpfleger: "Wie konnten Sie meiner Mutter so etwas nur antun?" 00:30 Min. Verfügbar bis 16.01.2026

Äußerungen wiesen auf mögliche Taten hin

Für einige der Zeugen wird dieser Tag zur Zerreißprobe. Durch vorsichtiges Nachfragen versuchen der Richter und die Anwälte der Nebenklage herauszufinden, was die Taten von Torben S. mit den Opfern und deren Angehörigen gemacht haben. "Es geht uns beschissen", sagt eine 65-jährige Ennepetalerin.

Seit acht Jahren lebe ihre Mutter in dem Heim. Sie sei so dement, dass sie ihre eigene Tochter nicht mehr erkenne, immer wieder zusammenhanglose Dinge erzähle. Darunter allerdings auch die Äußerungen, dass "die Nachtwache sie wieder geweckt hat und sie sich dann immer umziehen müsste".

Zeugin weint immer wieder

"Glauben Sie, dass Ihre Mutter noch wahrnimmt, was mit ihr passiert?", will Richter Jörg Weber-Schmitz wissen. "Ja, das tut sie wohl", antwortet die Zeugin, der immer wieder die Tränen kommen, "aber es ist wohl gut, dass sie es jetzt nicht mehr weiß." Die Vergewaltigung ihrer schwerdementen Mutter sei immer wieder Thema in der Familie. "Wir reden viel darüber", berichtet sie, "aber ich stelle es mir so ekelhaft vor. Jeder hier im Raum hat doch eine Mutter. Jeder denkt: Was hat der da nur gemacht?"

Prozess gegen Altenpfleger: "Wie konnten Sie meiner Mutter so etwas nur antun?" 00:45 Min. Verfügbar bis 16.01.2026

Ähnliche Gedanken und Gefühle teilen auch vier weitere Zeugen an diesem Vormittag mit. Ein Mann aus Jüchen, dessen Mutter ebenfalls Opfer von Torben S. geworden ist, sagt: "Sie ist bettlägerig und konnte auch keine Hilfe holen. Meine Mutter wartet nur noch darauf, dass ihr letztes Stündlein schlägt." Für ihn seien die Taten des Pflegers "surreal, absolut abstrus".

Schwere Vorwürfe gegen das Pflegeheim

Als dann die Zeugin den Saal betritt, die die polizeilichen Ermittlungen gegen Torben S. erst so richtig ins Rollen gebracht hatte, wird es noch einmal emotional. Die Frau aus Ennepetal schildert, dass sie am 4. Juli vergangenen Jahres einen anonymen Anruf bekommen habe. Dabei habe ihr eine unbekannte Person gesagt, dass ihre Mutter Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sei.

Dem Heim in Ennepetal-Voerde macht die 52 Jahre alte Zeugin schwere Vorwürfe: "Wieso hat mich darüber niemand eher informiert?" Zwischen der Tat, bei dem ein Kollege den angeklagten Pfleger nackt im Zimmer ihrer Mutter erwischt hatte, und dem Anruf hätten ganze vier Tage gelegen. "Ich war dazwischen zweimal zu Besuch. Und da hat meine Mutter schon einen verstörten Eindruck gemacht." Die vermeintliche Antwort der Heimmitarbeitenden lässt die Stimme der Zeugin vor Zorn beben: "Man sagte mir, dass man nicht wusste, wie man mir das sagen solle."

Sie sei dann sofort zur Polizei gefahren, kurz darauf wurde ihre Mutter gynäkologisch untersucht. Die Ermittlungen gegen Torben S. liefen an. Zwei Wochen später nahmen Polizisten den verheirateten Familienvater dann in Ennepetal fest, sicherten mehrere elektronische Geräte, auf denen sie Fotos und Videos der Taten fanden.

Angeklagter sitzt teilnahmslos im Saal

In diesem Saal des Landgericht Hagen findet der Prozess gegen Torben S. statt | Bildquelle: WDR / Schulte

Torben S. sitzt den ganzen Vormittag über mit zusammengezogenen Schultern auf seinem Anklagestuhl. Regungslos und angestrengt starrt er auf den Fußboden. Die emotionalen Aussagen der Opfer-Angehörigen prallen äußerlich an ihm ab. Auch als die 52-jährige Zeugin ihn gezielt anspricht: "Sie sind doch nur ein Jahr jünger als ich! Wie konnten Sie meiner Mutter so etwas nur antun? Wie konnten Sie nachts in ihr Zimmer schleichen und so etwas tun?" Der Vorsitzende Richter fährt ihr dazwischen: "Diese Fragen führen zu nichts." Kurz darauf ist Schluss für heute.

Am 26. Januar wird der Prozess fortgesetzt. Dann ist unter anderem die Heimleitung geladen. Und auch die Ehefrau von Torben S. soll dann über ihren Mann Rede und Antwort stehen. Die Ehe ist seit Bekanntwerden der Taten am Ende.

Über dieses Thema berichteten wir am 16.01.2024 unter anderem in der WDR2 Lokalzeit.

Quelle:

  • WDR-Reporter vor Ort