35 Jung-Störe in Rhein und Waal ausgesetzt

Stand: 16.08.2024, 12:10 Uhr

Seit gut 70 Jahren gilt er im Rhein als ausgestorben: der Europäische Stör. Das wollen Behörden, Biologen und Angler ändern.

Von Ralph Brix

Das niederländische Naturschutzgebiet Millingerwaard gehört zur Flusslandschaft Gelderse Poort zwischen Kleve und Emmerich auf deutscher und Nimwegen und Arnheim auf holländischer Seite. Es ist bekannt für seinen Vogelreichtum. Aber es gibt auch Wildpferde, Bieber und Otter.

Heute legte dort die Rheinfähre Rhenus Vahalis an. An Bord: viele Menschen und künftige - noch sehr seltene - Rheinbewohner.

Schwimmende Kolosse

Jungstöre lassen sich beständig flussabwärts treiben. | Bildquelle: WDR

NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) hatte eingeladen, sie bei einer ungewöhnlichen Aktion zu begleiten. Am Nachmittag half sie dabei, 35 junge Störe auszusetzen. Diese sind 18 Monate alt, messen knapp 30 Zentimeter und wiegen gerade mal so viel, wie eine Tafel Schokolade.

Es wird viele Jahre dauern, bis sie ausgewachsen sind. Aber dann wird jeder von ihnen bis zu drei Meter groß sein und unglaubliche 150 kg wiegen. Und sie haben im besten Fall eine Lebenserwartung von 100 Jahren.

Lange Geschichte

Hiesige Fischer und Angler kennen ihn heutzutage nur noch aus alten Geschichten. | Bildquelle: ARK Rewilding Nederland

Für Biologen heißt er offiziell Acipenser sturio: Den Europäischen Stör gibt es seit vielen Millionen Jahren in großen Flüssen. Auch in Rhein und Waal war er mal heimisch.

Doch zunehmend kam ihm der Mensch in die Quere: Überfischung, intensive Schifffahrt, große Nordseedämme und Umweltverschmutzung sind nur einige der Gründe dafür, dass der "Ur"-Fisch in der Region verschwand: Seit 1953 gilt der Europäische Stör in Rhein und Waal als ausgestorben.

"Lebendiger Rhein"

Die Auswilderung bzw. Wiederansiedelung des Europäischen Störs ist Teil des Interreg-Projekts "Lebendiger Rhein". Behörden, Verbände und Ehrenamtliche wollen erreichen, dass der Rhein, seine Natur und der Mensch wieder im Einklang miteinander leben können. Und so wurden bereits 2012 und 2015 erstmals Jungstöre in den Rhein entlassen. Sie waren aus Restbeständen wilder Störe aus Deutschland und Frankreich gezüchtet worden.

High-Tech für Stör-Schutz

Die heute ausgesetzten Jungstöre haben winzige ID-Chips dabei. Damit sind sie u.a. individuell zu identifizierten und damit quasi die Vorhut für mögliche zukünftige Populationen: Die Chips senden Daten mit Informationen wie Standort, Bewegungsmuster und anderes und liefern damit wertvolle Hinweise zu ihren Überlebenschancen. Ob die gut genug sind, dass der Stör auch langfristig wieder eine Zukunft im Rhein hat, muss sich zeigen. Doch die Projektpartner sind optimistisch, weswegen noch in diesem Jahr weitere 250 Jungstöre ausgesetzt werden sollen.

Zurzeit leben weniger als 1.000 Europäische Störe in freier Wildbahn. | Bildquelle: ARK Rewilding Nederland

Übrigens: Der Europäische Stör ist ganzjährig geschützt. Dr. Andreas Scharbert vom Rheinischen Fischereiverband von 1880 e.V weiß um die Bedeutung des Projekts. Aber auch, dass ein Stör schon mal zufällig am Haken hängen kann. Er betont aber: "Jeder Angler, der bis drei zählen kann, würden so einen Fisch zurücksetzen."


Jetzt bleiben die Jungfische erstmal im Rhein. Mit der Geschlechtsreife streben sie Richtung Nordsee. Die Weibchen kommen dann zum Laichen zurück. Es muss sich zeigen, ob der Rhein und vor allem die Menschen um ihn herum, den Stör-Lebenszyklus nach 70 Jahren Unterbrechung wieder zulassen werden.

Unsere Quellen:

  • Autor vor Ort
  • Deutscher Angelfischerverband
  • Interreg VI-Projekt "De Rijn Verbindt — Der Rhein Verbindet“